Last updated on 04-10-2017
Wie viele Deutsche zieht es buurtaal-Leser Olaf immer wieder gerne an die Küste der niederländischen Provinz Zeeland. In diesem Gastartikel erzählt er, warum er diesen Teil der Niederlande liebt.
Ich spreche Niederländisch. Mein Bezugspunkt ist Kamperland in Zeeland, Noord-Beveland – wenn es nicht die Pfalz ist. Dort wollen alle Zeeuwen Ihre Deutschkenntnisse verbessern, wenn sie einen Deutschen sehen und hören. Deshalb hat es für mich sehr lange gedauert dahin zu kommen, wo ich bin, mit meinen Sprachkenntnissen.
Geschichte: Frühe Besiedlung und Entdeckungsreisende
Zeeland ist seit der Steinzeit besiedelt und war seit dem Gallischen Krieg Teil des Römischen Reiches (Gallica Belgica, Asterix-Leser wissen das). Danach fielen immer wieder Normannen ein, fuhren von hier aus den Rhein oder die Schelde aufwärts. Deutlich später sollte der Niederländer Abel Tasman Neuseeland entdecken und so benennen. Heutzutage ist Neuseeland in der Welt bekannter als sein Namenspate.
„Wir sind dann mal weg“.
„Wohin?“
„Eine Woche Zeeland.“
Es folgt ehrfürchtiges Staunen.
Wasser, sehr viel Wasser
Endlose Strände, Austern, Muscheln, Peen/Bieten/Rüben und Schafe. Glückliche Schafe, die auch so schmecken. Das Wort Horizontverschmutzung wurde wohl hier erfunden, man achtet darauf. Hier gibt es ihn auch wirklich, den „Nachbarschaftsaal“ – auch buurt-aal genannt :-) Wir lassen ihn leben, pflegen die Nachbarschaft. In dem Rest der Niederlande ist das Land von Wasser durchzogen, in Zeeland ist das Wasser vom Land durchzogen.
Im Jahre 1530 verschwanden 117 zeeländische Dörfer im Meer und an einigen Stellen werden immer noch rundgeschliffene Backsteine angespült. Zahlreiche Monumente erinnern an Deichbrüche, Deichschließungen und Sturmflutopfer. Im frühen Mittelalter war Zeeland teilweise fast von der Landkarte verschwunden.
Immer wieder Zugezogene
Neben dem Wasser sorgten auch Religionen, Familienkonstellationen europäischer Adelshäuser und wirtschaftliche Interessen für ein weiteres Auseinanderdriften von Nord und Süd.
Glaubensflüchtlinge wie Schotten, Hugenotten, Lutheraner und Österreicher kamen in das tolerante Zeeland, auch aus dem niederländischen Norden. Später Indonesier und Molukker, die vor Verfolgung in Asien geflohen waren. Natürlich war auch Napoleon hier – der allerdings nicht als Flüchtling.
Unabhängigkeit
Erst 1830 erlangten die südlichen Niederlande ihre Unabhängigkeit, die allersüdlichsten Teile mit Brüssel, Gent, Brügge und Antwerpen fielen dem neu gegründeten Belgien zu. Auch das ist wesentlich, weil sich hier Zeeland vom Rest der Niederlande grundlegend unterscheidet, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Holländer in der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen schon lang mit Käserei, dem Züchten von Tulpen un dem Erobern der Weltmeere beschäftigt.
Ein Zeeländer ist genau so wenig ein Holländer, wie ein Schotte Engländer oder ein Westfale Bayer ist.
Man sieht vielen Zeeländern spanische Vorfahren an. Ein Dorf wie Molembaix könnte in Nordspanien genauso heißen, bei Vlake muss man unweigerlich an Wickie und die starken Männer denken.
Einwanderer gibt es auch in der Tierwelt: Pfahlwürmer wurden eingeschleppt und vernichteten Schiffe und Hafenanlagen viel schneller, als das Wasser es tut. Bretonische Austern kamen. Erst waren es die Creuse aus Frankreich und jetzt sind es die japanischen Austern.
Aber auch deren Feinde kamen: Schnecken, Austernbohrer, die die Austern anbohren und aussaugen, ganz ohne Messer und Kettenhandschuh. In Yerseke ist eine der grössten Muschel- und Austernkulturen Europas. Mit Zuchtanlagen an Land versucht man sie vor den Austernbohrern zu schützen.
Die Weltkriege
Zeeland hat heute 380.000 Einwohner. Fast doppelt so viele belgische Flüchtlinge waren während des 1. Weltkriegs hier, denn die Niederlande waren neutral. Viele blieben.
Im 2. Weltkrieg waren die Deutschen hier. Viele Zeeländer kamen durch Deutsche ums Leben oder wurden in Lagern umgebracht. Die Allierten richteten in der Provinzhauptstadt Middelburg durch Bombardements schwere Schäden an und auch die Deiche wurden erfolgreich durch die Allierten bombardiert. Sie schossen und bombten, deutsche Menschen saßen zum Kriegsende zusammen mit zeeländischen Familien irgendwo im Dunklen im Wasser und warteten, daß es endlich aufhört. Halb Zeeland hatten die Allierten unter Wasser gesetzt.
Ich versuche durch diese Schilderung die Stimmung und die Einstellung der Zeeländer Deutschen gegenüber nachvollziehbar aufzuzeigen. Die Großeltern haben so etwas ihren Kindern und Enkeln erzählt. Sicher sehr emotional, und Emotionen prägen. Ursache des Krieges waren die Deutschen und so gehörten deutsche Soldaten nicht nach Zeeland. Ehemalige Deutsche Soldaten kamen übrigens bei der großen Flut wenig später mit amerikanischen Uniformen oder auch in zivil wieder nach Zeeland – um zu helfen. Sie hatten auch sicher persönlich einiges gut zu machen (Magriet de Moor:
Sturmflut: Roman, München 2005, S. 87 f.)
Ich habe einen Mann kennengelernt, der im KZ war und dessen Eltern dort gestorben sind. Er hatte Probleme mit Deutschen, sehr verständlich. Ich war 12 Jahre alt. Er hatte keine Angst vor mir und ich nicht vor ihm. Sein jüngerer Bruder hatte immer ein Eis für mich. Er lebt im Jetzt. Damals konnte ich kein Niederländisch und er kein Deutsch aber das war uns egal. Jetzt spricht er Deutsch und ich spreche Niederländisch wenn wir uns begegnen, das finden wir beide witzig und prosten uns mit einem Berenburg zu. Leuk!
Wasser trennt, Wasser verbindet
Kurzum: Ausländer, Fremde waren schon immer in Zeeland – mit guten und mit schlechten Absichten. Zeeuwen sind daher ein offenes und selbstbewusstes Völkchen. Die Farbe oranje sieht man hier kaum, man mag die Monarchie nicht und steht der Obrigkeit ohnehin sehr kritisch gegenüber.
Zeeland woanders eingliedern? Niemals! Fremde brachten seit jeher Wohlstand.
Auf der anderen Seite war Zeeland auch isoliert: Erst im 19. Jahrhundert gab es eine angemessene Straßenverbindung zum Festland über die Bevelander Halbinsel. Bis in die Sechziger Jahre wurden Noord-Bevelander Schüler mit dem Schiff zur weiterführenden Schule nach Middelburg oder Goes gefahren. Je nach Wetter ging das nicht immer – oder es ging nicht zurück. Man trifft auf eine ambivalente Mischung aus Zurückhaltung und Offenheit.
Die Zurückhaltung bemerkt man nur, wenn man genau hinsieht und mehr als freundliches Miteinander anbietet. Man kann hier richtige Freundschaften schließen: Monatelang gar keinen Kontakt haben, auch nicht über neue Medien, und dann weiter machen, wo man aufgehört hat. Mit viel Respekt voreinander. Jeder hat sein Leben, und wir freuen uns, wenn uns unsere Leben wieder zusammenführen. Eine Freundschaft wie sie ewig halten kann, die immer besser wird, eine Freundschaft, die einfach passt.
Die Sturmflut, die alles verändert
1953 forderte eine erneute Sturmflut – de watersnoodramp – in Zeeland über 1800 Tote.
Auch die Hilfe der Deutschen bei dieser Katastrophe sorgte dafür, daß wir hier anders gesehen werden als im Rest der Niederlande. Schon zwei Monate danach begann man, nach einer Lösung zu suchen, die Zeeuwen waren traumatisiert und sind es noch.
Durch die Deltawerke wurde die Küstenlinie um rund 700 km verkürzt, dabei musste auch der Trennung von Salz- und Süßwasser Rechnung getragen werden, den Muschelbauern, die die Gezeitenströmung brauchen und der ganzen Natur.
Das prägte die Landschaft, es entstanden geschützte Binnengewässer und die früheren Inseln wurden an das Festland angeschlossen, auch besser erreichbar für Touristen. Diese Ingenieursleistung war ohne Vorbild. „Bring in the Dutch“ heißt es mittlerweile weltweit, wenn es Probleme mit Wasser gibt. Die Flutkatastrophe von New Orleans hätte es hier so niemals gegeben.
Es gibt noch sehr viel mehr über Zeeland zu sagen. Der Dialekt ist besonders, die Bands Racoon und Bløf sind es auch, zeker Zeeuws. Die inoffizielle zeeuwsche Hymne von Bløf beschreibt Zeeland sehr gut.
Und hier zum Mitsingen:
Andere interessante Links
http://www.deltawerken.com
http://www.vvvzeeland.nl/de/
http://tweedewereldoorlog.nl/zeeland/
Mich würde interessieren, was Andere über Zeeland denken – Deutsche, aber auch Niederländer. Gefällt Euch diese Gegend der Niederlande?
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist: Olaf hat ein Ferienhaus in Zeeland, das er gerne auch an buurtaal-Leser vermietet. Für Euch gibt es 5 Prozent Rabatt und ein dickes Wörterbuch Duits-Nederlands im Regal :-)
Sehr interessanter Artikel. Leider kenne ich die Ecke der Niederlande noch nicht sehr gut. Ich hoffe, das ändert sich bald. Zeeland, ich komme :-)
LG Simone
Schön, dass der Artikel von Olaf Dir diesen südlichen Teil der Niederlande schmackhaft gemacht hat, Simone :-)
Ich bin genauso in Zeeland verliebt,wie Olaf! Nieuwvliet, Breskens, Oostburg, Sluis,Vlissingen…das ist meine Ecke von Zeeland! Wenn alles so geht, wie ich es mir vorstelle, ziehe ich in 3 Jahren dorthin!
Ich kann es kaum noch erwarten!
Ganz Holland ist schön, aber Zeeland hat ein besonderes Licht, wunderschön zu beobachten unter http://www.zeegat.nl wenn die großen Schiffe dicht am Boulevard von Vlissingen entlang rein- (Richtung Gent, Antwerpen) oder rausfahren (in alle Himmelsrichtungen) – Tag und Nacht, zu jeder Jahreszeit, bei den schönsten Sonnenauf- und -untergängen, im silbernem Mondlicht, geheimnisvoll im Nebel, in 100 Grautönen im Regen, bei stürmischer See.
Und dann ist da unter vielen reizenden kleinen Städten auch das Städtchen Zierikzee mit einer der schönsten Hausbemalungen, die ich je gesehen habe. Leider kann ich davon hier kein Foto einfügen, was ich sehr gerne getan hätte.
Ik houd van Holland , maar Zeeland is een parel!
Dieses Licht war mir ein eigener Artikel wert – erscheint am Montag – mit Foto. Bei „Das Zeelandhaus“ auf Facebook. Nur vom Smartphone, aber besser als von der webcam. Wenn Du das darüber sehen kannst: Glückwunsch. Ich sehe mir auch regelmässig mit webcams Zeeland an. Eine Mischung aus Heim- und Fernweh.
Na Olaf, da freu ich mich auf Deine Fotoreportage. Wenn man schon nicht immer dort sein kann, dann müssen eben Fotos oder webcams helfen, um die Sehnsucht zu stillen.
Lade das Foto von Zierikzee doch bei Facebook hoch. Bei buurtaal oder bei Das Zeelandhaus. Oder am besten bei beiden.
Die Stadt ist auch schön, wenn auch mir selbst nicht ganz so vertraut. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern, zumal ich auch mal wieder zum Weingut in Dreischor möchte (ich schrieb darüber). Ich kenne die Hausbemalung nicht, nur die vielen von Goes.
Am Montag schreibe ich über das Licht und zeige EIN Foto, der Moment hat mich sehr beeindruckt, aber dieses Licht hat viele Facetten. Auf meiner HP unter „Zeeland“ ist eine Fotostrecke mit vielen Bildern und auch „Lichtbildern“, von mir und anderen.
Ich habe mir gerade Deine Zeeland Bilder angesehen. Prachtig, prachtig! Man kann sich richtig in diese Bilder reinträumen.
LG Gabi
Danke, Gabi, klasse – wo ist das denn ungefähr? Nooit gezien.
Hallo Olaf, ganz einfach zu finden. In dem Haus ist eine Galerie „EK Gallery“ Beddeweg 1, 4301 EK Zierikzee.
Am Einfachsten zu finden mit: „Google earth“ > Zierikzee > Beddeweg 1 eingeben, wenn Du das offen hast, auf „Street view“ gehen. Die Gallery ist ein Eckhaus und die vordere Front, schaut auf einen kleinen Platz. Von diesem plein hast Du das ganze bemalte Haus auf einen Blick!
Ich hoffe, daß es klappt. Das Haus ist übrigens fast im Zentrum, dicht beim stadhuis!
Veel plezier! Tot zo.
Vielen Dank für den Bericht von meinem Lieblings“land“ in NL!
Und auch die Einladung ins Haus nehme ich gerne an … dann … Muss erst sparen :-(
Na ja, so lange auch nicht. Preisliste gesehen?
Hey Olaf
Danke für den tollen Blog Eintrag. Auch wir fahren immer gerne nach Renesse um Urlaub zu machen (natürlich standesgemäß mit dem Wohnwagen ;_) ).
Bin schon als Kind immer mit den Eltern dort gewesen , nachher als junger „Kerl“ zum surfen.
Im letzten Jahr war ich beim CAS. Es war gewaltig. Blöf kommen ja aus dem schönen Städtchen Middelburg. Letztes Jahr haben sie ganz in der Nähe von uns (Enschede) ein kleines Konzert gegeben. Das war total super. Wer einmal in Zeeland war, wird immer wieder dort hinfahren.
kleiner Tip. Auf FB gibt es sogar eine eigene Gruppe Renesse aan Zee Freunde. Gruß Christoph
Danke, Alex, daß Du das Foto mit übernommen hast. Ich hoffe, daß es auch anderen Lesern Freude macht.
LG Gabi
Schöner Bericht von Olaf. Seit wir vor 12 Jahren unser „Möwennest“ gekauft haben, ist Zeeland auch unsere große Liebe. Wir freuen uns immer wieder auf die Tage oder Wochen in der sonnenreichsten Provinz der Niederlande. Wir vermieten übrigens auch, unter
http://www.123website.nl/moewennest
könnte ihr unser wunderschönes Wochenende Möwennest anschauen und noch einiges mehr von Zeeland.
Viele Grüße, Elmar
Bin auch erklärter Zeeland-Fan und habe ähnliche Erlebnisse gehabt, was Sprache und Verhältnis angeht. Habe jetzt ein belgisches Kennzeichen, was die Sache wieder verändert :-) Sehr schön beschrieben, tolle historische Einordnung.
Dumme Sache, das mit dem Kennzeichen :-)) . Es gab früher übrigens kurz belgische Bestrebungen, sich Zeeland einzuverleiben. Für die historischen Details sind einige meiner Gehirnzellen abgeraucht und um so mehr wieder nachgewachsen – spannend und facettenreich. Es fehlt immer die Hälfte. Vielleicht lässt mich Alex ja noch einen zweiten Teil schreiben. Es lohnt sich, auch langfristig. Die Niederländer werden alles tun, der Erderwärmung und dem Absinken der Kontinentalplatte etwas entgegen zu setzen.
Blöd formuliert, will sagen: Den Folgen der Erderwärmung und dem Absinken der Kontinentalplatte. DIESE Leute können Land trocken halten.
Gerade bin ich dabei, den Roman -Sturmflut- zu lesen und bin gefesselt von dem Stil den Magriet de Moor benutzt, um den Leser vergessen zu lassen, dass er ein Buch liest, sondern sich im Kino glaubt, wo er ein Drama erlebt, das er nie im Leben vergessen wird.
Ich war 8 Jahre alt, als dies Unglück geschah. Und alle hingen vor den Radios und hörten entsetzt von den Geschehnissen. Als Kind fand ich manche Berichte im Radio und das, was die Erwachsenen sich noch lange lange erzählten, ganz entsetzlich.
Was die Niederländer anschliessend mit den Deltawerken geschaffen haben um das Gebiet zu schützen, ist so enorm, dass es zum Weltwunder erklärt wurde.
Sie werden oft das „8. Weltwunder“ genannt, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Weltwunder#Architektonische_Weltwunder_der_Moderne
http://www.deltawerken.com/Deutsch/556.html?setlanguage=de
Oh ja, de deltawerken, heel indrukwekkend. Omdat ik ze goed ken, moet ik altijd grinniken als ergens in een Duits radio- of tv-programma (voor de grap?) gezegd word: „Wenn der Meeresspiegel steigt, säuft ganz Holland(!) ab.“
Ik weet dat het zeker anders komt, want de Nederlanders hebben verstand van waterbouw.
Mijn liefde voor Zeeland begon met de eerste vakantie in 1960 en gaat tot nu toe door. Mijn droom in Veere (mijn lievelingsstadt in Zeeland) te gaan trouwen kwam helaas niet uit. Het mocht niet van het Nederlandse wet, maar dat doet mijn liefde voor Zeeland en Veere geen kwaad.
Heiraten in Zeeland? Schade, dass das nicht ging. Ich stelle es mir sehr romantisch vor.
Wij vonden het ook echt jammer, vooral omdat ik vanwege mijn achternaam toch echt aan Veere gehecht ben ;-) De Duitse wet deed daar niet moelijk over, je mag in ieder deel van Europa trouwen. In Nederland moet een van de beide partners van Nederlandse afkomst zijn of je moet een woonplek in Nederland hebben. Een jaarplaats op de camping was daar helaas niet voldoende voor :-( jammer toch?
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