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Alles durcheinander: verfomfaaid

Last updated on 21-03-2020

Jeder kennt Wörter, die er irgendwie besonders gern mag. Für mich gehört in diese Reihe zum Beispiel das niederländische verfomfaaid.

Letztens lief es mir wieder über den Weg: das Wort verfomfaaid [vər’fɔmfajt]. Wir hatten uns etwas aus den Augen verloren. Schließlich ist es keine Vokabel, die mir im überwiegend deutschsprachigen Alltag oft zupass kommt.

Verfomfaaid ist das Partizip des Verbs verfomfaaien, das durcheinander bringen bedeutet. Wenn etwas verfomfaaid ist, ist es – je nach Kontext – zerknautscht, zerzaust, zerknittert, zerknüllt, zerfleddert oder auch einfach unordentlich. Papier kann verfomfaaid sein, Kleidung auch. Vögel mit zerzaustem Federkleid. Menschen sehen verfomfaaid aus, wenn sie in zerknitterten Klamotten und mit ungekämmten Haaren herumlaufen.

Geigenspiel und Tanz

Was vermutlich nur wenige wissen: Das niederländische verfomfaaid hat deutsche Wurzeln. Es ist nämlich aus dem Niederdeutschen entlehnt worden, wo es als verfumfeien in vielen Mundarten vorkam – so die Gebrüder Grimm in ihrem berühmten Deutschen Wörterbuch. Dieses Verb wiederum geht auf fumfei, fidelfumfei oder auch bumfei zurück, ein lautmalerisches Wort, das – mit den Worten von Jacob und Wilhelm Grimm – den schall der geige nachahmt.

In etwas weiterem Sinne bezeichnete fumfei auch den Tanz nach dieser Fidelmusik in der Kneipe. Versieht man das fröhliche Treiben mit der Vorsilbe ver- – die die Macht hat, Positives in Negatives zu wandeln – enstehen daraus die Bedeutungen „seine Zeit mit Leichtsinnigkeiten vertun“ und „sein Geld verschwenden“.

Obwohl sowohl verfum- als auch verbumfeien landschaftlich durchaus noch anzutreffen sind, haben sie es – anders als ihr niederländischer Cousin – nie in den Allgemeinwortschatz geschafft. Trotz der etwas zwielichtigen Herkunft schwingt und klingt in verfomfaaid für mich noch etwas vom ursprünglichen Fidelklang mit. Ich mag das Wort.

20 Kommentare

  1. Wojciech Ż. Wojciech Ż.

    ‚v‘ ist [f] in deinem Niederlaendisch? Und ‚z‘ – [s]?

    • Bouke Bouke

      Kann man so sagen ja – den Niederländischen V wird von Deutschen immer als F verstanden, wenn ich sie ausspreche (denn mein Nachname fängt damit an :) – ich muss immer sagen V wie Vogel und meistens haben sie dann schon einen F eingegeben). Andersrum verstehe ich des öfteren eher einen W in dem Deutschen V. Und wie bei Joachim Löw der Deutscher eher einen V ausspricht, sagt der Holländer tatsächlich einen W, wie in Löwe.

      Der z ist geschrieben oft eintauschbar mit dem s, wird allerdings ohne t dazu ausgesprochen, quasi wie eine summende Biene.

    • Das [f] ist ein stimmloser (labiodentaler) Reibelaut; das stimmhafte „Gegenstück“ ist [v].

      [s] steht für den stimmlosen S-Laut, [z] für die stimmhafte Variante, die im Niederländischen durch den Buchstaben „z“ repräsentiert wird und im Deutschen (verwirrenderweise) durch „s“.

      • Wojciech Ż. Wojciech Ż.

        ich wollte wissen, ob du den Buchstaben „v“ in deiner Muttersprache stimmlos oder stimmhaft aussprichst. Denn es hiess ja oben: (zunaechst) [fər’fɔmfajt].

        Analog: ob du fuer den Buchstaben „z“ (immer im Niederl.) stimmlos [s] oder stimmhaft [z] liest.

        • Hm, da haben wir uns irgendwie missverstanden, glaube ich. Im Artikel steht (und stand!) [vər’fɔmfajt], also mit einem [v] am Anfang. Ich habe dort nichts geändert.

          Abhängig von seinen direkten „Nachbarn“ wird der Buchstabe „v“ mehr oder weniger stimmhaft gesprochen. Es kommt zudem sehr auf den Sprecher an (siehe auch Boukes Kommentar). Ähnliches gilt für das „z“, das bei nicht wenigen niederländischen Muttersprachlern wie ein [s] klingt. Beantwortet das die Frage?

          • Wojciech Ż. Wojciech Ż.

            Muss ich also etwas falsch gesehen haben. Nein, nicht ganz: in Deinem Idiolekt ist das „ver“ in „verfomfaaid“ so dieses Wort in Isolation steht stimmhaft oder stimmlos? Und wie sprichst Du „zeven“ aus?

  2. Cornelia Cornelia

    Danke für „verfomfaaid“ – ja, das ist wirklich ein schönes Wort! Ich hatte schon lange nicht mehr gehört und fast vergessen, dass es es gibt.
    Meine holländischen Lieblingswörter sind übrigens „verwarming“ (das klingt so schön anheimelnd, gemütlich, kuschelig – da wird es einem gleich warm!) und „deeltjesversneller“ (weil das so niedlich klingt für etwas so ein technisches, riesiges und fast schon monströses Gerät. Das holländische Wort lässt mich immer vermuten, dass es heimlich doch aus Lego gebaut ist……)

    • Für das deutsche Pendant, den Teilchenbeschleuniger, gilt eigentlich das gleiche, oder? Bei „Teilchen“ muss ich übrigens immer unwillkürlich an Gebäck denken.

      • — „Bei “Teilchen” muss ich übrigens immer unwillkürlich an Gebäck denken.“

        Ach, etwa an Rosinenschnecken, Puddingbrezel, Hefehörnchen, Blätterteig-Apfeltaschen, Amerikaner, Kokosschnitten, Zimtwölkchen, Kirschstreusel, Quarkküchlein, Marzipanhörnchen, Mohnschnecken, Plunderhörnle, Nußecken, Butterschnitten, Erdbeer-Buttermilchschnitte oder Schweineohren?

        Ich auch.
        Ich BIN Teilchenbeschleuniger im wahrsten Sinne des Wortes :-)

  3. Lucy van Pelt Lucy van Pelt

    Schönes Wort, wirklich!
    Das niederländische Wort „verfomfaaid“ kannte ich nicht; wohl aber das deutsche Wort „verbumfeit“. Es kam in meinem aktiven Wortschatz zwar niemals vor, aber ich habe vor Jahrzehnten das Buch „Tadellöser und Wolff“ von Walter Kempowski gelesen. In dem autobiographischen Roman, der im 2. Weltkrieg spielt, fällt der Vater Karl, ein Veteran des 1. Weltkriegs, durch stereotype Redensarten auf. „Gut dem Dinge!“ „Ansage mir frisch!“ und eben auch „völlig verbumfeit!“ Das betrifft (aus seiner Sicht) z.B. die amerikanische Jazzmusik oder auch die „langen“ Haare des ältesten Sohnes. (Die Hitlerjungs, die der Junge boykottierte, waren ja fast kahl geschoren, bis auf den Oberkopf).
    Das eigenartige Wort „verbumfeit“ habe ich danach nie mehr gehört oder gelesen, aber, wie man sieht, auch niemals vergessen.

    • Bouke Bouke

      Ich stimme zu, das ist ein tolles Wort! Allerdings ist es genau so eins wie sowieso; man wundert sich, wie es geschrieben wird, denn es hat keine reale verbindung zu bekannte begrippen. Das Verb frommelen zum Beispiel ist nahe in der bedeutung und viel öfter benutzt. Daher zweifelt man oft, ob es vielleicht nicht doch verfromfaaid oder verfromfraaid heißt.

      Allerdings gibt es bei verbumfeit heutzutage vielleicht Assoziationen mit „bumsen“ – ähnlich ist das bei dem schönen Englischen Wort „gay“, was ursprunglich ja einfach sowas wie happy heißt, durch zusätzliche Deutung vollständig in seiner ursprungliche Bedeutung verdrängt worden.

  4. Daniel Daniel

    Wir haben im Deutschen das Verb „verbumfideln“, das nach dem Duden so viel wie „verschwenden“ und „(Zeit) verlieren“ bedeutet. Ich denke, es gehört auch in die von dir aufgezählte Reihe der mit „verfomfaaien“ verwandten Wörter.

    Het Grimm’sche Wörterbuch is trouwens ook online raadpleegbaar: http://woerterbuchnetz.de/DWB/

    Denk je niet ook dat de produkten uit de (banket)bakkerij, die boven genoemd zijn, een eigen artikel waard zijn?

    Danke für dein tolles Blog, Alexandra!

    • Hi Daniel, im Post habe ich „verfumfeien“ auf den entsprechenden Eintrag im Grimmschen Wörterbuch auf woerterbuchnetz.de verlinkt. Es macht wirklich Spaß, darin zu lesen.

      Von Apfeltasche bis Zimtwölkchen … Die Idee gefällt mir :-)

  5. Trijntje Trijntje

    Ik vind verfomfaaid ook een prachtig woord.
    Doet me nu denken aan een vogelverschrikker, zoals die vroeger werden gemaakt van een oude bezemsteel, met oude kleren aan. Of aan een landloper zoals Swiebertje ( voor niet-Nederlanders: Swiebertje was de hoofdpersoon van een populaire kinderserie in de tijd dat ik kind was, ik ben van 1954).

    • Oh ja, Swiebertje ist ein super Beispiel für jemand der „verfomfaaid“ aussieht. Ich muss mal schauen, ob es den inzwischen auf DVD gibt.

  6. Bas Bas

    Geweldig! Heb vooral om sommige commentaren moeten lachen ;-)
    Ik ga binnenkort een deeltjesversneller (=lopende band voor gebakjes) van Lego bouwen :-D

  7. Ralf-Dieter Ralf-Dieter

    Hi Alex, es gibts noch ein Wort was da zu paßt konfus, das wird im norddeutschen gerne verwendet und abstrus/verwirrt bedeutet, Hauptwort im englischen Confusion=Verwirrung,Caos,Durcheinander, das Wort enstammt dem lateinischen, zusammen mit Fusion/ Vereinigung usw als Gegenstück, gibt’s sowas im ndl auch das Gegenstück von „verfomfaaid“ ? Wie heißt das Verneinungswort auf niederländisch ?

    Herzliche Grüße
    euer
    Ralf-Dieter

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