Last updated on 22-04-2019
Während ich (wie die meisten Menschen vermutlich) recht geschickt darin bin, Werbung am Wegesrand auszublenden, fiel mir dieses Plaket auf meinem morgendlichen Arbeitsweg auf. Es enthält nämlich ein für mich typisch deutsches Wort: sichern.
Die Deutschen legen sehr viel Wert auf (vermeintliche) Sicherheit.
In den Niederlanden ist das anders. Sicherheit ist gut, aber Komfort, Bequemlichkeit, Funktionsvielfalt und Preis sind wichtiger. Diese Einstellung spiegelt sich auch in Marketing- und Werbetexten wieder.
Wer einen Niederländer zum Kauf oder zum Abschluss eines Vertrags bewegen möchte, appelliert daher besser an dessen Vorliebe für die oben genannten Aspekte.
Sichere dir jetzt diesen besonderen Vorteil oder Rabatt (bevor es ihn nicht mehr gibt und du mit leeren Händen dastehst) wird in niederländischen Texten also eher als
profiteer nu van ….
ausgedrückt.
Profiteer nu van tien procent korting op al onze modellen.
Knappheit
Bei Dingen, die tatsächlich Mangelware sind, nutzt man auch im Niederländischen ein Verb, das mit sicher und mit sicherstellen zu tun hat:
zich verzekeren van (iets)
Das passt zum Beispiel, wenn es bei einem Konzert nur eine beschränkte Anzahl gute Plätze gibt:
Verzeker u nu van een plaats op de eerste rij.
Nutznießen
Fast poetisch finde ich das deutsche Verb nutznießen. Hier verschmelzen für mein Gefühl nutzen und genießen aufs Schönste miteinander. Der Duden stuft es als gehobene Sprache ein. Im Marketing-Sprech hat so ein Wort keine Chance. Aber das ist vielleicht auch gut so.
Ah, wieder was nützliches gelernt. Geht „baat van/aan iets hebben“ in dieselbe Richung? Oder wie würdest Du das interpretieren?
Hoi Patricia,
baat hebben (oder: vinden) bij iets
heißt in der Tat auch, dass man von etwas profitiert oder dass einem etwas nutzt Allerdings ist es viel weniger geläufig. Selbst würde ich es nur in Kontexten wie folgenden verwenden:
Sporters hebben baat bij gezonde voeding (Sportler profitieren von gesunder Ernährung)
oder
Hij vond geen baat bij de behandeling (die Behandlung half ihm nicht)
Sicherheit…
hinter diesem Bedürfnis steckt letztlich Angst.
Ich glaube,
die Deutschen haben viel mehr Ängste,
als die Holländer (ich weiß: Niederländer…)
und das ist – wie alles und vieles –
in unserer Geschichte begündet.
Da magst du Recht haben, Bodo. Mein Empfinden ist auch, dass Niederländer (generalisierend gesagt natürlich) in vielen Sachen mehr Zuversicht haben, dass sich die Dinge schon fügen werden.
Als (ehrenamtlicher) IT-Profi stoße ich regelmäßig auf „Sichern“ und „Sicherung“. Niederländische Übersetzung: „backuppen“ und „backup“:-)
Ja, dat klopt Ernst, ook in de ICT wordt er van alles gesichert in Duitsland. Toch komt „Backup“ ook voor, maar dan alleen als zelfstandig naamwoord. Backuppen gaat ze hier toch een stapje te ver ;)
Sich etwas zu „sichern“ ist eine mittlerweile typische Stilfigur im deutschen Werbesprech: Man soll sich möglichst ohne weiter nachzudenken ein Angebot sichern (er van profiteren), wobei dessen Knappheit oder Vorteile meist zu Unrecht suggeriert werden. Das ist eine durchaus neue Semantik des Ausdrucks „sichern“, mir ist sie erst vor etwa 5 Jahren zuerst aufgefallen und sie steht eher nicht mit einem (typisch) deutschen Sicherheitsbedürfnis im Zusammenhang: Da „sichert“ man sich ab, man „ver-sichert“ sein Eigentum gegen Gefahren, man „ver-sichert“ sich der Richtigkeit einer Aussage oder „sichert“ Beweise, Datenbestände usw.
Nach meinem Gefühl gibt es dieses „sich sichern“ schon deutlich länger als fünf Jahre, Eckhard. Dass es relativ neu ist, glaube ich dir aber sofort.
Grauenhaft, nicht? Da wird von den Werbefritzen die Sprache brutalisiert, an Gier und Torschlußpanik appelliert. Man denkt an Raufereien an einem Grabbeltisch im Schlußverkauf (mir fällt gerade auf, daß „Fritzen“ für NL noch eine besondere Konnotation hat).
Vielen Dank für den neuen Beitrag. Wie immer sehr interessant. Eine Beobachtung, die ich auch schon gemacht hatte. Wenn ich mit meiner jungen Familie auf einem Campingplatz in den Niederlanden bin, und dort nicht viele Deutsche urlauben, kann es sein, dass meine Kinder und wir Erwachsenen beinahe die einzigen Fahrradfahrer oder Laufradfahrer sind, die einen Helm tragen. Obwohl die eigene körperliche Unversehrtheit und Gesundheit ein ebenso knappes und begrenztes Gut ist, was es zu sichern gilt. Oder?
Die Lage beim Fahrrad fahren ist in den Niederlanden jedoch wesentlich anders als in Deutschland, Nadine. In NL sind die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer) viel mehr aufeinander eingestellt als in DE. Radeln empfinde ich in meiner Heimat dadurch inhärent sicherer als in Deutschland.
Im Niederländischen wird alternativ auch oft „genieten“ verwendet, nach meinem Eindruck, „van iets genieten“. Das ist dann vielleicht die Entsprechung zum „Nutznießen“. Viele übliche Werbetexte lauten nämlich: „Geniet van onze prijsverlagingen (op…)“. Statt sich ein Angebot zu sichern, soll man es in den Niederlanden „genießen“. Im Deutschen klingt es wirklich sehr komisch. „Genießen Sie von unserem preiswerten Toilettenpapier“. Aber es ist hier ja vor allem das Nutznießen gemeint, oder was meinst Du, Alex?
„Geniet van onze prijsverlagingen“? Das ist mir noch nicht begegnet, Nicolas.
Es gibt einen Unterschied zwischen „genieten van iets“ (etwas Schönes/Gutes/Leckeres genießen, Freude an etwas haben) und „genieten“ ohne die Präposition „van“. Letzere Form gehört zum eher formalen Sprachgebrauch und bedeutet im Prinzip haben, bekommen oder erhalten:
een hoog salaris genieten –> ein hohes Gehalt erhalten
een grote populariteit genieten –> sich großer Beliebtheit erfreuen