Last updated on 15-07-2018
Oft wird im Niederländischen das „n“ am Ende eines Wortes nicht gesprochen. Gibt es da eine Regel? Oder regionale Unterschiede?
Wer sich als Deutsche(r) mit der niederländischen Sprache beschäftigt, wird es schon bemerkt haben. Und andersrum genauso: Niederländer artikulieren anders als Deutsche.
Aussprechen oder nicht?
Ein Gebiet, auf dem bei manchen Deutschen Unsicherheit besteht, ist die Aussprache des Schluss-n im Niederländischen. Niederländer scheinen diesen Konsonanten nach Belieben wegzulassen.
Tatsächlich wird das „n“ am Ende eines Wortes oder einer Silbe oft nicht gesprochen. So ganz beliebig ist die Sache aber nicht.
Nach unbetontem „e“
Im gesprochenen Niederländischen kann man das Schluss-n weglassen wenn der Vokal davor ein Schwa, also ein unbetontes „e“ ist.
ik zal even kijken | „eve kijke“ | ich werde mal (nach-)schauen |
met open ogen | „ope oge“ | mit offenen Augen |
de drakendoder versloeg zeven draken | „drakedoder“ „zeve drake“ | der Drachentöter besiegte sieben Drachen |
So klingt es:
br>
Bindeglied
Wenn das darauf folgende Wort jedoch mit einem Vokal anfängt, wird das Schluss-n häufig als eine Art Bindeglied zum nächsten Wort benutzt und somit doch ausgesprochen:
ik ben vergeten een jas mee te nemen | „vergete-nen jas mee te neme“ | ich habe vergessen, eine Jacke mitzunehmen |
So klingt es:
br>
Bis auf wenige Ausnahmen enden niederländische Verben im Infinitiv auf -en. Während diese Endung konsequent geschrieben wird, fällt das „n“ in der Aussprache also meist weg:
lopen –> lope
fietsen –> fietse
werken –> werke
Gut zu wissen: Bei Verben mit Stamm auf -en darf man das „n“ in der ersten Person Singular nicht unter den Tisch fallen lassen:
openen –> ik open –> öffnen
ondertekenen –> ik onderteken –> unterschreiben/unterzeichnen
oefenen –> ik oefen –> üben
rekenen –> ik reken –> rechnen
Regionale Unterschiede
Wie bei den meisten sprachlichen Phänomenen gibt es regionale (und persönliche) Unterschiede. So ist die Neigung, das Schluss-n zu verschlucken in der Randstad am weitesten verbreitet. Im Norden und Osten der Niederlande passiert dies viel weniger oft.
Es ist übrigens keine gute Idee, das Schluss-n sicherheitshalber immer auszusprechen, nach dem Motto „nützt es nicht, so schadet es auch nicht“. Denn das klingt für niederländische Ohren schnell etwas unnatürlich.
Dann gibt es noch Substantive wie varen (Farn) und baken (Bake – ohne n!), wo das N erhalten bleibt, obwohl es bei toren (Turm), haven und Keuken (Küche) meist nicht zu hören ist. Ich bezweifle ob es eine Regel gibt; da herrscht wohl eher das Chaos des persönlichen Geschmacks. Bei rede(n) (Rede/Grund), zege(n) (Sieg/Segen), toren/toorn (Turm/Zorn) aber kann das Aussprechen oder Weglassen des N die Bedeutung ändern.
Übrigens ist auch im Süden der Niederlande (und in Belgien? ich glaube ja) das Weglassen des N durchaus üblich.
Du hast recht Gaston, eine allgemein gültige Regel für das Weglassen des N gibt es nicht. Meine Absicht war es, den deutschen Lesern aber zumindest etwas Halt zu bieten. Ich hoffe, das ist gelungen …
Im Norden und Osten wird das Schluß-n zwar gesprochen, dort fällt aber das letzte e oft weg, „rekenen“ klingt dann wie [reeknen], im Westen als [reekene].
Das gleiche wie bei dem Infinitiv gilt für -en als Mehrzahl des Substantivs, zB „woorden“ [woorde] = Wörter.
Aber „ik heb geen woorden ervoor“ [keb geen woorde nervoor] = mir fehlen die Worte.
Inderdaad valt in het noorden en oosten de slot-n juist niet weg, maar wordt de e ervoor vaak ingeslikt: niet toren, of tore, maar zoiets als toor’n.
Niet lopen, lope, maar zoiets als loop’n. Waarbij ook de uitspraak van de klinkers vaak iets anders is dan in het Nederlands elders in Nederland.
Ei, mir Hesse(n) lasse(n) des N an dene Wortende(n) jo aach fort. Vielleischt habbe(n) die Nassauer das emol exportiert?
Gut möglich ;-)
„Im Norden und Osten der Niederlande passiert dies viel weniger oft.“
Stimmt, hier lässt man eher des e vor dem n weg: „Emm kiekn.“
André, Trijntje, Scrooge:
Das Verschlucken des vorangehenden „e“ ist auch ein interessantes Phänomen. Standardniederländisch ist es aber nicht. Trotzdem finde ich es einen nützlichen Hinweis für unbedarfte Deutsche, die in diese Regionen reisen :-) Danke Euch!
Toll, dass es darüber mal einen eigenen Artikel gibt :)
Ich lerne gerade auch niederländisch und setze dabei verschiedene Sprachlernsoftware ein. Bei Rosetta Stone wird es nicht mitgesprochen, beim Sprachlernzentrum wird es mitgesprochen (wobei ich mir da nicht mal sicher bin, ob die Sprecher das im echten Leben auch so sprechen würden, manchmal wird es da nämlich auch unbewusst weggelassen).
In Flandern wird es jedenfalls nicht mitgesprochen.
Ich bin Flame, und wo ich herkomme wird das n fast immer mitgesprochen, obwohl das e fast immer ausgelassen wird. Es kommt halt darauf an, wo man aufgewachsen ist.
Hallo Alex,
Du hast mich gerettet. Ich lerne seit einigen Wochen Niederländisch (mehr oder weniger regelmäßig) und habe in meinem Lehrbuch (oder den Zusatzbüchern) rein gar nichts über das ’n‘ am Ende gefunden – aber auf der Audio CD ist zu „hören“, dass am Ende eben nichts oder doch zumindest wenig ist … ich war schon ganz verzweifelt ob die Sprecher der CD irgendeinen Dialekt sprechen oder ob ich zu doof für das Buch bin.
Auch wenn es nicht alles klärt – eindeutige Regeln gibt es ja wohl nicht – es hat doch etwas Licht ins Dunkel gebracht. :-)
Danke und Gruß,
Andrea
Hoi Jesus, hi Andrea,
ich freue mich, wenn es für Euch etwas klarer geworden ist.
Groetjes,
Alex
Liebe Alex,
ich habe eine Aufnahme der Reden, die Königin Wilhelmina im Radio im zweiten Weltkrieg gehalten hat, und hatte den Eindruck, dass sie beinahe immer das N ausgesprochen hat. Dafür hat sie auch den Genitiv oft verwendet (etwa „het volk des vaderlands“). Klingt sie heutzutage etwas gesteltzt (oder sehr sogar)? Oder klingt es einfach „königlich“ all die Ns auszusprechen?
Liebe Grüße aus Amerika
Thomas
Lieber Thomas,
wer eine Rede oder Ansprache hält, oder einen Text vorliest, ist eher geneigt, das N am Ende auszusprechen. Wilhelmina wird zudem ein recht feierliches Niederländisch gesprochen haben.
Groetjes terug uit Duitsland,
Alex
Inzwischen habe ich mir die Rede nochmals angehört. Nicht nur spricht Wilhelmina alle (aber auch alle) Endungen aus, sondern sie beugt die Artikel, als würde sie Deutsch sprechen. Hier ein paar Beispiele:
Bij dezen oorlog gaat het er om aan de wereld een waarborg te geven….
Onze wakkere mannen zetten den strijd voort…
Na al hetgeen er reeds over den oorlog gezegd en geschreven is…
Ich frage mich, wann man aufgehört hat, im Niederländischen den Artikel zu beugen. Und es erinnert mich an etwas, was mich einmal verwirrt hat. Ich habe gelernt, dass das niederländische Wort „begin“ anders als im Deutschen sächlich ist – also „het begin“. Dann aber sah ich in einem Buch über die Geschichte der niederländischen Sprache ein Zitat aus der sog. Statenvertaling der Bibel: „In den beginne schiep God den hemel en de aarde.“ Ik dachte, wat raar, das Wort „begin“ war früher ein de-Wort und ist inzwischen ein het-Word geworden. Wieso das? Dem ist aber nicht so. Im Bibelzitat handelt es sich um ein Wort im Dativ – also „het begin“ aber „in den beginne“!
Neulich habe ich ein Niederländischlehrbuch aus dem 19. Jahrhundert bei ebay gekauft und die Übungen von anno dazumal sind unglaublich. Dem armen Schüler wird gesagt: Beugen Sie „de vader“! Und die Antwort heißt: „de vader, des vaders, den vader, den vader“ (also Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ).
Vielleicht hat Wilhelmina ihre Muttersprache so kennengelernt – sie ist schließlich im 19. Jahrhundert zur Welt gekommen und Königin geworden.
Aus der gesprochenen Sprache sind die Fälle eigentlich schon vor ganz langer Zeit (Jahrhunderten!) verschwunden. In der Schriftsprache und in Grammatiklehrbüchern haben sie sich bis 1934 gehalten.
Genau gesehen handelt es sich hier um eine Wiedereinführung. Die Sprachwissenschaftler aus der Renaissance fanden nämlich, dass jede Sprache, die etwas auf sich hielt, eine respektable Grammatik MIT Fällen zu haben hätte. Die Lehrbücher lehrten also etwas, was in der gesprochenen Sprache so nicht mehr vorkam. Ähnliches passierte mit dem Artikel. Schon seit dem 16. Jahrhundert unterscheidet das gesprochene Niederländisch nur noch zwischen DE- und HET-Wörtern. Die Grammatikbücher hielten jedoch bis ins 20. Jahrhundert an dem alten Dreigespann den, de und het fest.
Dat wist ik niet! Leuke toevoeging, juist ook omdat je in oudere teksten van de 20e eeuw, en inderdaad ook in gesproken teksten (niet alleen van koningin Wilhelmina), die naamvalsvormen nog wel ziet en hoort. Dat zijn dan dus mensen die in de schrijftaal, en bij min of meer officiële gelegenheden, zich aan die regels hielden. En er misschien ook wel zo in opgevoed waren dat ze dat konden. Ik had altijd het idee dat die naamvalsvormen nog heel gewoon waren, in elk geval bij de hoger opgeleide mensen.
Ich lasse meist die n weg, aber wenn ich langsamer spreche, z. B. zur besonderen Betonung oder vor einem größeren „Publikum“, gebe ich mehr n von mir.
Das kenne ich auch, Emigrant. Wenn ich vor einer Gruppe spreche, artikuliere ich sowieso deutlicher.
Das ist mir hier in Amsterdam auch gleich mit als erstes aufgefallen. Mein „Goedemorgen“ im Büro wurde dann ganz schnell „Goeiemorge“ :D
Allerdings sprech ich bei den meisten anderen Worten das n momentan noch mit, aber vielleicht gibt sich das mit der Zeit auch, wenn ich noch länger und fließender spreche :)
Groetjes uit Amsterdam, Elisa
Da bin ich ganz zuversichtlich, dass das passiert Elisa :-)
Tja und die Sachsen? Die lassen eher das unbetonte e weg und sagen nur das n.
Zum Beispiel: „kannste sein lassn“ oder „mal rüber gehn“. Also von den Sachsen kommt das niederländisch bestimmt nicht ;-)
Das passiert in einigen niederländischen Dialekten auch, Dirk :-)
echt interessant, danke an Alex!
Sehr interessanter Artikel. Ich mag deine Art zu schreiben sehr. Ich verstehe, dass dies eine sehr große Arbeit und Arbeit ist. Weil ich selbst Inhalte für Studenten schreibe.