Meteorologisch betrachtet war er am 1. März schon da, aber nun auch astronomisch und “offiziell”: gestern hat der Frühling begonnen.
Auf Niederländisch: Het is lente.
Lente? Das klingt wie Lenz.
Dichterisch.
Klopt – zumindest aus deutscher Sicht, denn Lenz verwendet man hier eigentlich nur im poetischen Sinne, scherzhaft, und in bestimmten Ausdrücken und Redewendungen:
Mit siebzehn Lenzen verliebte sie sich in ihre Deutschlehrerin.
Sich einen schönen Lenz machen.
Gemeinsame Herkunft, unterschiedliche Entwicklung
Das deutsche Wort Lenz und das niederländische lente (ein de-Wort) sind – das dürfte nicht überraschen – miteinander verwandt.
Lente findet man schon im Altniederländischen als lentin, im Mittelniederländischen als lenten. Das Mittelhochdeutsche kannte lenze (und langez), das Altenglische lencten/lengten.
Interessanterweise ist der deutsche Lenz grammatikalisch gesehen männlich, die niederländische lente weiblich (auch wenn diese Tatsache im alltäglichen Sprachgebrauch keine Rolle spielt).
In ihren protogermanischen Wurzeln gehen alle genannten Formen auf eine Kombination von lang und Tag zurück. Und das passt: Nach dem dunklen Winter längen sich wieder die Tage.
Frühling
Die heutige hochdeutsche Bezeichnung Frühling kam erst relativ spät auf den Plan, nämlich im Frühneuhochdeutschen – die Zeit zwischen etwa 1350 und 1650. (Es hat wohl auch ein herbstliches Pendant gegeben: den Spätling. Schade, dass der es nicht in die heutige Zeit geschafft hat.)
Für mich als Niederländerin klingt Frühling poetisch. Nicht altertümlich, sondern leichtfüßig, beschwingt.
Frühjahr
Statt Frühling darf man im Deutschen auch Frühjahr sagen. Meiner Beobachtung nach gelten beide als Synonyme, außer in feststehenden Begriffen wie Frühlingsgefühle, Frühlingsanfang, Frühjahrsputz oder Frühjahrsmüdigkeit.
Vorjahr
Das niederländische Gegenstück zu Frühjahr ist voorjaar. Dummerweise stellt sich das Wort als falscher Freund heraus. Voorjaarsmoeheid ist denn auch keine Müdigkeit, mit der man im letzen Jahr zu kämpfen hatte, sondern schlicht die eben erwähnte – auch in Deutschland verbreitete – Frühjahrsmüdigkeit.
Wer hingegen vor Energie sprudelt und Frühlingsgefühle hat, spürt im Niederländischen lentekriebels und kann seinen Tatendrang in de grote voorjaarsschoonmaak ausleben.
Für das Vorjahr gibt es im Niederländischen im Übrigen kein entsprechendes Substantiv. Man sagt einfach: het vorige jaar.
Die Anregung zu diesem Artikel kommt von buurtaal-Lezer Kyle M. aus Kanada. Er schrieb mir:
Das deutsche Wort Lenz begegnete mir zum ersten Mal, als wir mit unserem deutsch-kanadischen Männerchor den Klassiker „Veronika, der Lenz ist da“ sangen. Zuerst dachte ich, Lenz sei der Name eines Herrn, der gekommen war, um sich mit Veronika zu unterhalten. Erschwerend war dabei, dass ich vor langer Zeit in der Schweiz einen Menschen namens Urs Lenz kannte. Wir nannten ihn „der Lenz“.
Ach ja: Im heutigen Englischen heißt der Frühling zwar spring, aber die alte Form lebt im Substantiv lent weiter: die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern.
Ich bin froh, so eine ‚Anbindung‘ an die niederländische Kultur zu haben. Ein Bißchen bin ich wohl ‚holländisch‘, denn ich bin sehr dickköpfig und ’stur‘, was viele deutsche nicht mögen. Ich bin ein wenig stolz darauf.
Man sag dickköpfig und „stur“ sein die Bayern auch. Es gibt wohl Gemeinsamkeiten zwischen den Niederländern und den Bayern?
Dickköpfig und stur sind eigentlich immer die Nachbarn, „die anderen“.
Ich glaube nicht, dass Niederländer und Bayern (selbst Niederbayern) allzu viele Gemeinsamkeiten haben.
Die Geschichte mit dem Herrn Lenz, der Veronika besucht, ist erheiternd. Hätte meine Idee sein können.
Und ja, Du hast recht, Alex, der Spätling wäre eine wunderschöne Jahreszeit geworden.
Hier in Baden-Württemberg, liebe Vorgärtnerin, lebt der Spätling.
In Ludwigsburg gibt es alljährlich einen Spätlingsmarkt!
Ich habe noch ein mehrsprachiges Liedchen beizutragen, das mein Exmann gesungen hat:
De spring is here, de spring is there,
de sping, de spring is everywhere,
en ik sing, ik sing
van lente!
Der Exmann heißt nicht zufällig Schroeder und spielt ständig Klavier?
„Good grief“, jetzt habe ich lachen müssen, Herr Woods!
Die Frage paßt natürlich.
Nein, er ist Niederländer, spielt Gitarre, und er schwärmt nicht für Beethoven.
Bleiben Sie gesund! Lucy.
Dann sind wir Holländer also dickköpfig und stur?
Nie gewusst.
Mein Deutschlehrer sagte einmal: „Mache die Fenster auf, der Lenz ist da!“
Bei diesem Lehrer habe ich mich in die deutsche Sprache verliebt.
Ja. Doch. Zumindest widerspenstig. Man stellt alles einmal zuerst infrage. Man nimmt keine Befehle entgegen, von Deutschen schon gar nicht.
Liebe Alex,
ja, wir kommen zur Ruhe (wenn auch nicht ganz freiwillig). Die Natur erwacht aus selbiger und hat alle Kraft.
Kein Spruch aus Schultagen passt besser in diese Zeit, als dieser hier: „Mach Dir einen coolen Lenz und schwänz“…
Nach deinem Beitrag habe ich nun diesen Ohrwurm, ein Kinderlied aus den Niederlanden: „Het is lente in het land“.
Aprpops: gibt es den Begriff für ein eingeprägtes Lied, den Ohrwurm, auch in den Niederlanden?
Ja sicher Nadine, es ist sogar das gleiche Wort: de oorwurm :)
En hoe zit het met „najaar“?
„Najaar“ kommt im Herbst dran, Paul ;)
Lenz als voornaam betekent „gekroond met laurierblad“. Het is afgeleid van Laurentius.
Mijn buurman heet Bruno Lenz.
Heb het artikel meteen bij hem in de brievenbus gedaan, zonder commentaar.
Ben benieuwd wat zijn reactie is.
En als er een is mogen wij die dan ook weten?
Bij voorbaat bedankt.
Spätling. Schön.
Da bin ich ja baff. Und ich dachte immer, der Spätling sei meine Erfindung. Spätling ist für mich jene angenehme Frühlings-ähnliche Zeit, wenn der von mir gehaßte Schwitz- und Klebesommer, in dem man vor allem hier im warmen Rheinland fast jeden Morgen in einer Pfütze erwacht, sich endlich verabschiedet hat. Eben jenes Gegenstück zum Frühling nach dem Altweibersommer.