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Wenn Diminutive auf eigenen Beinen stehen

Last updated on 15-05-2022

Das Diminutiv – die Verkleinerungsform – spielt im Niederländischen eine wesentlich größere Rolle als im Deutschen. Längst nicht immer jedoch bezeichnen solche Wörter Gegenstände, Phänomene oder Personen, die tatsächlich einen geringen Umfang oder ein kleines Ausmaß haben. Oft führen sie mit einer eigenen Bedeutung sogar ein eigenes Leben.

Beliebt

Die Niederländer lieben ihre verkleinwoorden. Und das ist auch für Nicht-Muttersprachler praktisch. Weiß man gerade mal nicht mehr, ob es sich bei einem bestimmten Substantiv um ein de-Wort oder ein het-Wort handelt, schnappt man sich kurzerhand die verkleinerte Form und ist somit fein raus. Die Verkleinerungsform ist nämlich, ebenso wie im Deutschen, immer sächlich.

Vielfältig

Dabei beschränken sich niederländische verkleinwoorden keineswegs auf die Klasse der Substantive. Auch Adjektive, Adverbien und sogar Zählwörter, Verben und Präpositionen lassen sich schrumpfen. Einen kleinen Einblick in die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten gab schon der erste Beitrag zu Thema Diminutiv hier im Blog.

Nashörnchen?

Nun gibt es aber auch eine ganze Menge Diminutive, denen ein entsprechendes Grundwort fehlt oder deren Grundformen wenig verbreitet sind. Diese Gattung bezeichnet dann auch nicht unbedingt etwas Kleines.

Im Deutschen kennt man dieses Phänomen durchaus auch: Im Zoo kann man Nashörner bestaunen aber keine Eichhörner. Auch Seepferde und Erdmänner sucht man dort vergebens. Wer mit Ohrlappen statt Ohrläppchen gestraft ist, wird sich vermutlich nach den Möglichkeiten eines kosmetischen Eingriffs erkundigen. Und im Frühling habe ich noch nie die Schneeglocken blühen gesehen, oder läuten gehört.

Eheschiffchen

Das Niederländische ist reich an solchen Wörtern. Man findet sich auch oft in Ausdrücken und Redewendungen. Und diese wiederum, sind fester Bestandteil der Alltagssprache.

Wer heiratet, steigt zum Beispiel ganz romantisch in het huwelijksbootje („Eheschiffchen“). Die Variante huwelijksboot kommt nicht vor, es sei denn, man meint damit das Vorabendserienfahrzeug Love Boat, das von Ende der Siebziger bis Mitte der Achtziger die Weltmeere befuhr.

Interessant finde ich hier übrigens die unterschiedliche Perspektive: Während für frisch getraute Niederländer die Reise im huwelijksbootje also gerade erst anfängt, betont die deutsche Entsprechung, bei der man in den Ehehafen einläuft, das Ende des wilden Singledaseins und den Anbruch eines stabileren Lebensabschnitts.

Mächtiges Zeug

Poffertjes kennt jeder. Poffers hingegen gibt es nicht. Ich esse liebend gerne pindarotsjes („Erdnussfelschen“). Hinter der niedlichen Bezeichnung verbergen sich aber ganz schön mächtige Brocken, sodass der deutsche Name Erdnussberge es vielleicht besser trifft.

Noch einige niederländische Diminutive mit fehlendem oder eher unüblichem Grundwort:

akkefietje – eine kleine oder eine eher unangenehme Arbeit
pashokje – Umkleidekabine im Kleidungsgeschäft (Anprobe)
een beetje – ein bisschen
jeetje (Ausruf) – oje!
geurtje – Duft (Parfüm)
lieveheersbeestje – Marienkäfer
makkie – ein Leichtes (etwas, was wenig Mühe kostet)
manusje-van-alles – ein Hansdampf in allen Gassen
rotje – Knallfrosch, Knallerbse
sprankje – Quäntchen, Schimmer, Hauch
theelichtje – Teelicht

Märchen-Figuren

Auch die Namen vieler Märchen-Figuren sind Diminutive – im Niederländischen noch etwas häufiger als im Deutschen:

Doornroosje – Dornröschen
Klein Duimpje – der kleine Däumling
De rode schoentjes – Die roten Schuhe
Sneeuwwitje – Schneewittchen
Het meisje met de zwavelstokjes – Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

Und die Bezeichnung dieser Erzählgattung selbst ist in beiden Sprachen eine Verkleinerungsform, der das Grundwort fehlt: Märchen und sprookje. Auch ausgedehnte Erzählungen nennt man nicht Märch oder sprook.

Das böse Stiefmütterchen

Auch wenn das Grundwort eines Diminutivs an sich ein gängiges Wort ist, heißt das noch lange nicht, dass das zugehörige Diminutiv einfach nur eine kleinere Ausführung bezeichnet. Oft hat es eine unterschiedliche, oder zumindest abgewandelte Bedeutung.

Auch das gibt es im Deutschen: Obwohl man Stiefmütter und Stiefmütterchen gleichermaßen pfleglich behandeln soll, sind sie doch ganz unterschiedlich. Weidenkätzchen lassen sich zwar streicheln, aber mit der Familie der Felidae sind sie nicht verwandt.

Die Stiefmütterchen finden im Niederländischen ihre Entsprechung im Diminutiv viooltjes. Violen hingegen sind nicht unbedingt etwas für Pflanzenliebhaber sondern eher für Musiker. Damit sind nämlich meistens Geigen gemeint statt Veilchen.

Een flensje ist ein dünner, kleiner Pfannkuchen. Een flens wäre weitaus weniger bekömmlich. Abhängig vom Kontext bezeichnet das Wort nämlich einen Spurkranz oder Flansch.

Apenstaartje ist das niederländische Wort für den Klammeraffen @. Een apenstaart wäre einfach nur der Schwanz eines Affen.

Wer pro Tag ein Dutzend telefoontjes erhält, hortet keine Telefone oder Handys. Hier bezeichnet die Verkleinerungsform einen Anruf, nicht das Gerät, das zum telefonieren benutzt wird.

Eischen, Bierchen und Weinchen

IJs ist das niederländische Wort für Eis. Man verwendet es sowohl für gefrorenes Wasser als auch für Speiseeis. Mit einem ijsje jedoch ist immer eine bestimmte Portion gemeint. Das kann ein Eis in der Waffel sein, im Becher oder am Stiel.

Spaghettieis

Spaghettieis – een Duits ijsje

Über die Größe sagt das Wort nichts aus. Een ijsje kann durchaus riesig sein. Und während man im Deutschen eine oder mehrere Kugeln in der Waffel bestellt, herrscht im Niederländischen auch hier der Diminutiv:

Twee bolletjes graag – in een hoorntje.

Die Kugeln sollte man hier nicht allzu wortwörtlich übersetzen, denn das niederländische Wort kogel bezeichnet ein Geschoss. IJskogels gibt es also allenfalls bei starkem Hagel.

Wenn man zu viele pindarotsjes, ijsjes, snoepjes, chocolaatjes und zoutjes (das niederländische Wort für Salzgebäck) verzehrt, gerne mal een biertje zischt oder een wijntje trinkt, bekommt man schnell een buikje. Das ist im Deutschen, wo man sich ein Bäuchlein angedeihen lässt, nicht anders.

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist: Eine recht ausführliche Liste „eigenständiger“ Diminutive bietet die niederländische Version des freien Online-Wörterbuchs Wiktionary.

Der Klassiker „’n Beetje“. Mit diesem Liebeslied voller Diminutive gewann Teddy Scholten 1959 den Eurovision Song Contest in Cannes für die Niederlande. Hier der Songtext.

Top 100

Beim diesjährigen Sprachblogwettbewerb Top 100 Language Lovers 2013 hat buurtaal in der Kategorie Language Learning Blogs den 25. Platz erzielt. Vielen Dank an alle, die für mein Blog abgestimmt haben!

49 Kommentare

  1. Ach, das war mal wieder so richtig schön und wissenswert.
    Und erst recht gefällt mir immer daran, dass ich einige Wörter schon kenne. Das ist soo beruhigend, vor allem gemessen an der Tatsache, dass ich 2010 zuletzt in NL war (der Besuch der Floriade zählt da nicht richtig — Venlo, das ist zu nah dran an Deutschland.)
    Eine Frage bleibt aber zu fragen, nämlich wie spreche ich die vokale Ansammlung in Sneeuwwitje aus? Das w von sneeuw gilt da ja auch so halbwegs als Vokal. (so wie auch in vrouw, wenn ich das richtig in Erinnerung habe)

    Womöglich ist das der einzige Grund, warum ich noch nie in Leeuwarden war — weil ichs nicht aussprechen kann!

  2. Charlie Charlie

    Ja, das ist ein großer Unterschied zwischen Niederländisch (oder z.B. Schwäbisch) und Schriftdeutsch. Solche Diminutive gibt es wie Sand am Meer, und die Liste von nl.wictionary ist sicher ein guter Einstieg, aber alles andere als erschöpfend.

    Als sporadischer Raucher habe ich beispielsweise schon viele sjekkies geraucht – ich wüsste nicht, wie ich diese Verkleinerungsform von shag anders schreiben könnte –, die ich mir zuvor mit vloeitjes gedreht hatte… wobei ich vloeitje gut als kleines vloei auffassen kann, aber ein sjekkie ist definitiv kein kleiner shag.

    Erklärung für Nichtraucher:
    shag „Drehtabak“ wird wie das Wort cheque „Scheck“ als /ʃɛk/ ausgesprochen. Ein sjekkie ist eine „Selbstgedrehte“, und vloeitjes sind „(Zigaretten-)Blättchen, papers“.

    • alex alex

      Sjekkie ist ein schönes Beispiel, Charlie. Und ja, es wird tatsächlich so geschrieben.

  3. Tamara Tamara

    Ik heb het nog niet helemaal gelezen, maar wil toch meteen iets zeggen. Je poffertjes/poffers voorbeeld klopt namelijk niet helemaal. Ik durf niet te beweren dat ze iets met poffertjes te maken hebben, maar eetbare poffers bestaan in het Noorden des lands wel degelijk ( eten-en-drinken.infonu.nl/recepten/13608-poffert-gronings-recept.html )

    • Hoi Tamara, Du hast fast recht … In Deinem Link zu dieser Groninger Spezialität geht es aber um pofferts (mit einem „t“). Bei poffertjes bin ich von der Grundform poffer (ohne „t“) ausgegangen.

      Ein kleiner poffert ist aber tatsächlich ein poffertje :-)

      Noch mal zum Verständnis:

      poffert bekommt das ganz normale Verkleinerungssuffix -je. Der poffer hingegen bekäme, weil er auf unbetontem -er endet, das Suffix -tje angehängt.

      • Tina Tina

        Poffertjes habe ich gerade heute in einem Kaufland-Markt gesehen. Hier ist die Verkleinerung durchaus angebracht; die Dinger sind ja nur ein kleines bißchen größer als ein Zwei-Euro-Stück.
        Aber manchmal wirken solche Verkleinerungen auch etwas merkwürdig; zum Beispiel habe ich mal gelesen, daß Niederländer selbst eine ausgewachsene Bulldogge noch als „hondje“ bezeichnen. Hier finde ich die Verkleinerung nun doch leicht übertrieben. Aber nun ja, in einem kleinen Land wie Holland muß eben alles verkleinert werden, sonst paßt es nicht hinein ;-).

  4. Henning Henning

    Hallo Alex,

    mein Eindruck – allerdings nur gewonnen aus Büchern – ist, dass die Verwendung des Diminuitiv im Laufe der Zeit zurückgegangen ist (mein Eindruck für die Zeit ab etwa 1960).

    Ist meine Vermutung richtig?

    • Hm, da müsste man die Statistiken zu rate ziehen. Aus eigener Erfahrung kann ich das aber nicht bestätigen

      • Henning Henning

        Hi Alex,

        mir ist aufgefallen, dass bei Übersetzungen von Maj Sjöwall, Per Wahlöö in den 60ern beispielsweise die Rede davon war, dass der Protagonist sein „jasje“ auszog. Ähnliches meine ich bei Science Fiction-Übersetzungen aus jener Zeit festgestellt zu haben.

        Bei Übersetzungen aus den 1980ern derselben Autoren (aber anderer Romane) meine ich weniger Diminuitve gesehen zu haben.

        • Ich kann es nicht mit Zahlen belegen, aber ich glaube kaum, dass der Gebrauch rückläufig ist.

        • @Henning: Aber bei jasje gibt es ein Bedeutungsunterschied. Jasje ist (war?) ein Sakko. Sakkos wurden in den 60ern noch viel getragen. Jas bedeutet ‘Mantel’.

          • Henning Henning

            @Emigrant (jasje = Sakko): Mift, wenn man auch nicht jedes Wort nachguckt …

            Danke!

  5. „Wenn Diminutive auf eigenen Beinen stehen“ wird bei mir als Überschrift angezeigt.
    Streng genommen hätte es Beinchen heißen müssen? ;-)

    • Das hatte ich tatsächlich in Erwägung gezogen. Habe mich dann doch dagegen entschieden. Man soll’s ja nicht übertreiben ;-)

      Es gibt aber im Niederländischen den schönen Ausdruck, dass alles op zijn pootjes terechtkomt: Das kann man sagen, wenn alles am Ende gut wird.

  6. Bob Bob

    [Die Niederländer lieben ihre verkleinwoorden.]

    Und die Deutschen lieben auch die niederländischen Verkleinerungen, dass musste ich jedenfalls mehrmals feststellen in meinem Bekanntenkreis. Die finden ja die niederländische Sprache so „süß“ deswegen. Ich bin da dann immer etwas zwiespaltig. Ich denke, der Gebrauch von diesen Worten löst bei deutschen Zuhörern einen Eindruck aus der eigentlich gar nicht gemeint ist.

    • alex alex

      Da stimme ich Dir zu. Ich glaube, auf deutsche Muttersprachler wirken die niederländischen Diminutive viel kleiner, oder „niedlicher“ als auf die Niederländer selbst.

  7. Christian Christian

    Zumal die Diminutive auch abwertend gebraucht werden können, nicht nur als Verniedlichung. Ich finde es toll, dass man im Niederländischen auch Adjektive verkleinern kann, denn das klingt im Deutschen bescheuert.
    Ich frage mich im Moment, wie man „pindarotsjes“ ausspricht? Wird „sj“ tatsächlich ausgesprochen oder eher getrennt „s-j“?

    • alex alex

      Etwa wie „Pindarotsches“ :-) Die niederländische Komni „sj“ klingt ähnlich wie ein deutsches „sch“.

  8. Gerard Gerard

    Mit einem Diminutiv kann auch die Bedeutung eines Wortes leicht ändern.
    Een vriendinnetje ist nicht immer eine kleine Freundin. Wenn ein verheirateter Mann een vriendinnetje hat, hat er heimlich eine Freundin. Mit „mijn vriendin“ wird sehr oft meine Lebensgefährtin gemeint.

    So ist „jasje dasje“ das niederländische Pendant zu „Schlips und Kragen“
    Jasje ist nicht nur eine Kinderjacke sondern auch ein XXL Jacket heißt auf niederländisch jasje. (dasje ist ein Diminutiv von stropdas….. Krawatte)

  9. Hoi Alex!
    Könntest Du mir bitte diese Begrüßung übersetzen?

    „Hallo mein liebes Slobinchen! Hattest du einen guten Tag? Und wie ist das werte Befinden?“

    Das darf gerne ein bisschen umgangssprachlich sein. Niederländisch ist ja auch nicht nur Hochdeutsch, wie wir bereits feststellten.
    :-)

  10. Charlie Charlie

    Nachdem ich mich weiter oben über sjekkie und Konsorten ausgelassen habe, möchte ich nun über meine Erfahrungen im Deutschen berichten. Meine deutsche Heimat war nämlich eine beschauliche Gegend, in der Verkleinerungs­formen sehr viel häufiger als im Mainstream-Deutschen gebraucht wurden. Als sich mein Horizont dann erweiterte, war es ein regelrechter Schock für mich, dass man mich andernorts falsch oder gar nicht verstand. Gut, bei Kneipchen „Küchenmesser“ fehlt den meisten einfach das Grundwort und man kennt dieses schöne Erbwort höchstens noch als knife aus dem angeblich so wenig germanischen Englischen. Dass viele aber selbst so einfache und regelmäßig gebildete Wörter wie Wännchen „kleine (Bade-)Wanne“ nicht auf Anhieb verstanden, wurde für mich dann zum Anlass, meine Ausdrucks­weise in diesem Punkt ganz umzustellen.

    Da wir sehr viele Diminutive gebrauchten, waren wir auch in der Bildung von Verkleinerungs­formen sicherer als die meisten Deutschen, und dabei geht’s dann meistens um den Umlaut. Schon als Kind fiel mir auf, dass Brötchen ja wohl mit Brot zusammenhängt, aber ein kleiner oder portionierter Brotlaib anders hieß: Brotchen. Und lustig sind Fälle wie: Kuchen „eine Art Süßgebäck“ ~ Kuhchen „kleine Kuh“ ~ Kühchen (Nebenform von Kuhchen) ~ Küchen „Kochräume“. (Dass ch wie in ich ausgesprochen wird, obwohl davor ein u(h) steht, das nicht zum Zwielaut eu/äu gehört, gibt’s im Deutschen nur in solchen Verkleinerungs­formen wie Kuhchen und sonst nirgendwo. Vgl. auch die heut­zu­tage häufigeren Wörter rauchen vs. Frauchen „Hunde­besitzerin“.)

    Was mich immer fasziniert hat, aber im Niederländischen und Deutschen nur Vornamen wie Karina oder Ronaldinho und Fremdwörter wie libretto, Chiquita oder minestrone betrifft: Im Italienischen, Spanischen und Portugiesischen wimmelt es nur so von häufig gebrauchten Endungen für Verkleinerungs­formen (Diminutive) und Vergrößerungs­formen (Augmentative) und man kann sogar problemlos Diminutive von Diminutiven („Händchenlein“) und Augmentative von Augmentativen bilden, und das mindestens bis in die dritte Instanz. Ha!

    • Henning Henning

      Charlie: „(Dass ch wie in ich ausgesprochen wird, obwohl davor ein u(h) steht, das nicht zum Zwielaut eu/äu gehört, gibt’s im Deutschen nur in solchen Verkleinerungs­formen wie Kuhchen und sonst nirgendwo. Vgl. auch die heut­zu­tage häufigeren Wörter rauchen vs. Frauchen „Hunde­besitzerin“.)“

      Hanebüchen, heucheln, meucheln (s. Meuchelmörder)?

      • Charlie Charlie

        Schöne Beispiele, Henning. Noch häufiger sind z. B. leuchten oder Bäuche.

        Wie ich geschrieben hatte, ist der Zwielaut eu/ orthographisch gesehen die Ausnahme. Ein ü gilt im Deutschen als eigener Buchstabe, nicht nur auf PC-Tastaturen. – Ich wollte nicht zu technisch werden, sonst hätte ich geschrieben: ch nach nicht-vorderen Vokalen, also /uː/, /ʊ/, /oː/, /ɔ/, /aː/, /a/, /aʊ/ (und wenn du magst auch /ɔː/).

        • Henning Henning

          @Charlie: Ich bezog mich auf „gibt’s im Deutschen nur in solchen
          Verkleinerungs­formen wie Kuhchen und sonst nirgendwo. “

          Speziell auf das „nur“. Oder habe ich dich da völlig falsch verstanden?

          • Tina Tina

            „Kuhchen“ gibt es in Deutschland überhaupt nicht. Eine Kuh ist ja eigentlich immer groß; wenn sie noch klein ist, ist es ein Kalb. Höchstens in Baden-Württemberg machen sie ein „Kühle“ daraus; die Schwaben leiden nämlich ähnlich wie die Holländer an Verkleinerungssucht und hängen an alles ein -le dran, das etwa dem niederländischen -je entspricht. Ein kleines Haus zum Beispiel ist auf hochdeutsch ein Häuschen, auf schwäbisch ein Häusle und in Holland ein huisje.

            • Charlie Charlie

              Oh, es gibt zum Beispiel die Skulptur Kuhchen von Michael Vogler oder den Cartoon SpektaKUHlär – KUHchen von calvinbenedict.

              @Henning:
              Ja, ich behaupte (und andere tun das auch), dass im Deutschen der ich-Laut direkt nach einem nicht-vorderen Vokal (s. o.) im selben Wort ausschließlich in der Verkleinerungsendung -chen vorkommt, die damit etwas ganz besonderes für die deutsche Aussprachelehre darstellt.

            • Vera Vera

              In den Niederlanden kann man sogar Kuhchen-Schokolade kaufen.

              Allerdings handelt es sich hierbei nicht um echte Schokolade, da der Kakaoanteil weniger als 35% beträgt. Man nennt es dann ‚cacaofantasie‘.

              • Genau, darum heißen sie auch koetjesrepen, ohne Verweis auf das Wort chocolade. In diesem Fall sind die „Kühchen“ aber tatsächlich niedlich gemeint, Vera.

                Ich kenne sie aus meiner Jugend. Dann gab es die koetjesrepen lange Zeit nicht im Handel und jetzt sind sie wieder da.

  11. pjotr pjotr

    Das wort „poffer“ gibt es allerdings! Zwar handelt es nicht um grosse „poffertjes“, aber damit wird eine Mütze angedeutet aus Noord-Brabant. Sehe: http://nl.wikipedia.org/wiki/Poffer .

  12. Robert Robert

    Genial !

    Ich habe mich schlappgelacht, obwohl ich pers. oftmals nicht weiß ob ich das lustig/peinlich/albern finde – auf jeden Fall kenne ich das nur im Niederländischen und muß das immer „erdulden“ wenn meine liebe Verwandschaft mal wieder z.B nach einem „Kopje Koffie“ fragen ;-)
    Bei der Gelegenheit will ich aber mal ein Lob los werden – deine Seite ist wirklich ganz toll/informativ/unterhaltsam gemacht – vielen Dank dafür. Und da ich dich jetzt auch auf Twitter entdeckt habe, hoffe ich auch dort auf weitere interessante Berichte von dir.
    Noch eine schönes Wochenende an dich und alle Mitleser/innen.

    lg
    Robert

    • Hi Robert,

      vor allem Nicht-Muttersprachler finden die Verkleinerungswörter oft niedlich. „Een kopje koffie“ sagt nichts über die Größe der Tasse oder über die Menge aus . Vielmehr geht es um die Atmosphäre, die damit aufgerufen wird: in diesem Fall nett und entspannt.

      Vielen Dank fürs Kompliment. Ich freue mich sehr darüber!

  13. Stimmt, meine deutschen Studenten mögen den Diminutiv auch sehr gern, vor allem, weil man damit das de-het-Problem umgehen kann. Manchmal wird es aber auch unfreiwillig komisch. So erklärte einmal eine Kursteilnehmerin meiner Kollegin, dass sie ihre Hausaufgben nicht machen konnte, weil sie sooo viel für ihr Studium tun müsse: „We moeten ook nog boekjes lezen!“

    Dass Diminutive gelegentlich auch abwertend gemeint sind, wurde ja oben schon angesprochen. Einmal habe ich mit meinen Kursteilnehmern eine Filmkritik besprochen, und sie waren sehr erstaunt, dass „een aardig filmpje“ nicht wirklich positiv ist.

    • Für „Uneingeweihte“ ist es wirklich nicht einfach zu wissen wann ein Diminutiv angebracht ist und wann nicht …

  14. Marco M. Marco M.

    Interessant finde ich, daß man in Tirol/Österreich – ob es so auch in den dortigen anderen Bundesländern ist, weiß ich nicht – ebenfalls zur Verniedlichung neigt. So heißt es etwa ’s Gabele oder ’s Löffele, was mich wiederum sehr ans Schwäbische erinnert.

  15. […] meiner Muttersprache gibt es dieses Dilemma nicht. Dort heißt sie einfach viooltje. Allenfalls Botaniker oder andere Leute mit grünen Fingern würden wissen, welchen Spross der […]

  16. Vera Vera

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  17. Lucy van Pelt Lucy van Pelt

    „Auch ausgedehnte Erzählungen nennt man nicht Märch oder sprook.“
    Aber es gibt schon eine Grundform für Märchen, nämlich die Mär. Die kenne ich aus einem alten Weihnachtslied:
    „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring euch gute neue Mär! Der guten Mär bring ich so viel, davon ich singen und sagen will.“
    In dieser Form handelt es sich allerdings eher um Nachrichten.
    In alten Büchern habe ich auch schon das Wort „Märlein“ gelesen. Das war dann wiederum ein Märchen.

    • Aber es gibt schon eine Grundform für Märchen, nämlich die Mär.

      Das ist richtig, Lucy. Die Mär hatte ich nicht mehr auf dem Schirm. Das Wort gilt inzwischen doch aber als veraltet, oder?

      • Wolfgang Wolfgang

        Das Wort „Mär“ ist heute noch vereinzelt in Gebrauch, wird auch im aktuellen Duden noch (allerdings als veraltet) aufgeführt, hat indes bereits im Mittelhochdeutschen seit dem 15. Jahrhundert einen Bedeutungswandel im Sinne einer Bedeutungsverschlechterung (Pejoration – nl. pejorisatie) durchgemacht. Aus der ursprünglichen Bedeutung eines Berichts oder einer Geschichte wurde abwertend die Bezeichnung für eine Sage oder Legende, die sich ersichtlich als falsch bzw unwahr erwiesen hat. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet sich ein Eintrag darüber.

        • Danke für die Ergänzung, Wolfgang. Immer wieder interessant, wie Wörter (und deren Bedeutung) sich im Laufe der Zeit wandeln.

        • Carlo Carlo

          Hallo Wolfgang. Ich finde, „Mär“ ist nicht veraltet. Also höchstens in der Bedeutung, wie man sie in Luthers „Vom Himmel hoch“ findet. Aber in der Bedeutung von der unglaubwürdigen Geschichte wird es aktuell verwendet, wenngleich auch eher bildungssprachlich bzw. im gehobenen Sprachniveau. So wie in „die Mär vom Zerfall Europas“ oder auch „die Mär vom Storch, der die Kinder bringt“.
          Groeten, Carlo.

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