Last updated on 14-05-2014
In diesem Gastbeitrag von Christian Meyer (Dreamlines.de) geht es um Kultur und Natur der Karibik-Inseln Arbuba, Curaçao und Bonaire, die noch vor nicht allzu langer Zeit zu den Niederländischen Antillen gehörten.
Fragt man Deutsche, was ihnen beim Königreich der Niederlande als erstes in den Sinn kommt, drehen sich wohl viele Antworten um das Königshaus und die Nationalfarbe Orange.
Oftmals wird jedoch übersehen, dass in der Karibik weitere Gebiete liegen, die dem Königreich der Niederlande angehören. Das Verhältnis, in dem die Niederlande zu den karibischen Inseln stehen, hat sich mit der Auflösung des Verbands der Niederländischen Antillen und der Umstrukturierung der Überseegebiete im Jahr 2010 zwar verändert, ein beliebtes Urlaubsziel bleiben sie allemal.
Die meisten Touristen, die es in diese Gegend zieht, steuern die zweigeteilte Insel Sint Maarten – deren Nordteil (Saint-Martin) Frankreich angehört – sowie die sogenannten ABC-Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao an. Die Kultur dieser Inselgruppe vor der Küste Venezuelas möchte ich in diesem Artikel etwas genauer unter die Lupe nehmen.
In kultureller Hinsicht bieten die ABC-Inseln eine Vielzahl an Attraktionen, doch die weitaus meisten Touristen finden zum Tauchen hierher. Kein Wunder, denn die Inseln „unter dem Winde“ zählen zu den besten Tauchrevieren der Welt. Das ruhige und stets warme Wasser wird ebenso geschätzt wie die geschützte Lage, die karibischen Tropenstürmen wenig Chancen lässt.
Das Alleinstellungsmerkmal bilden jedoch die Naturschutzgebiete, die fast die gesamten Inseln umgeben und Rochen, Haien, Tintenfischen sowie zahlreichen weiteren Meerestieren und -pflanzen einen natürlichen Lebensraum bieten.
Natürlich spricht nichts dagegen, die Unterwasserspektakel zu erkunden. Doch es wäre schade, dabei die kulturellen Schätze, die Aruba, Bonaire und Curaçao zu bieten haben, zu ignorieren. Im Folgenden werden einige Besonderheiten vorgestellt, die das Wesen dieses besonderen Teiles des niederländischen Königreichs kennzeichnen: europäisch und karibisch zugleich, fremd und doch vertraut.
Geschichte der ABC-Inseln
Seit die Spanier die Inseln 1499 entdeckten, gab es regelmäßig Macht- und Bevölkerungswechsel, die mannigfaltige gesellschaftliche Spuren hinterließen. Orte mit so unterschiedlichen Namen, wie Fortuna Arriba, Sint Jacob und Sunset Heights reihen sich am Ortsrand von Willemstad, der Hauptstadt Curaçaos, aneinander. Allein von der ausgerotteten indigenen Bevölkerung der Arawak-Indianer sind mit wenigen Ausnahmen, wie den menschengeschaffenen Ayo Gesteinsformationen auf Aruba, keine Spuren der Urbevölkerung erhalten.
Die Kultur der Inseln lässt sich vielmehr als Verschmelzung der Kulturen von Kolonialherren und verschleppten Sklaven betrachten. So traurig die Ursache ist, hat diese Mischung doch schöne und spannende Blüten getrieben. Wie bereits im eingangs erwähnten Artikel beschrieben, ist die vorwiegend gesprochene Sprache der Bevölkerung Papiamento, eine Kreolsprache, die sowohl afrikanische und niederländische, vor allem aber portugiesische Einflüsse aufweist.
Viele unterschiedliche Bevölkerungsgruppen leben auf den ABC-Inseln, von Nordeuropäern über Südamerikaner bis hin zu Asiaten, die mit dem Boom der Ölindustrie als Gastarbeiter herkamen. Selbst zahlreiche vertriebene Juden aus der Zeit der spanischen Inquisition siedelten sich hier nachhaltig an.
Den größten Anteil der Bevölkerung bilden jedoch Nachfahren einstiger Sklaven der Westindischen Inseln. So ist die Küche von kreolischen Gewürzen bestimmt, die traditionelle Musik rhythmusbetont. Obgleich alle drei Inseln viel geschichtliches und kulturelles verbindet, kann man nicht pauschal von einem einheitlichen Charakter sprechen. Folgende drei Kurzportraits heben die Eigenheiten der drei ABC-Inseln hervor.
Bonaire
Die kleinste der ABC-Inseln ist Bonaire, inzwischen eine niederländische Gemeinde mit Sonderstatus. Noch heute findet man hier im kargen Süden der Insel deutliche Spuren der Sklaverei in Form von verwitterten, alten Holzhütten vor. Auch die Salinen, die noch heute zur Salzgewinnung genutzt werden, entstammen der niederländischen Kolonialzeit.
Das spärlich besiedelte Bonaire besticht im Wesentlichen durch seine Natur, ob unter Wasser (selbst auf den Autokennzeichen der Insel ist „Diver’s Paradise“ vermerkt) oder in den Nationalparks, die ein Refugium für die wilden Leguane und Esel der Insel bieten.
Curaçao
Curaçao ist mit über 150.000 Einwohnern die bevölkerungsstärkste Insel der Antillen vor der Küste Venezuelas. Das Stadtbild der Hauptstadt Willemstad steht sinnbildlich für die Verschmelzung niederländischer und karibischer Kultur. Die typischen schmalen, zusammenhängenden Häuser mit abwechslungsreichen Giebeln erstrahlen farbenfroh in ungewohnt bunten Tönen. Die historische Innenstadt zu beiden Seiten der St.-Anna-Bucht bildet das größte zusammenhängende Kolonialviertel der drei Inseln und wird als Weltkulturerbe von der UNESCO geschützt.
Aruba
Bereits 1986, also 24 Jahre vor der Auflösung der Niederländischen Antillen, hat Aruba die Autonomie als eigenständiges Land innerhalb des Königreichs erwirkt. Architektonisch macht sich auch hier der Einschlag der Niederlande deutlich bemerkbar; insbesondere in der Inselhauptstadt, deren Name – Oranjestad – kaum zu viel verspricht.
Aufgrund des großen und vor allem tiefen Hafens ist Oranjestad ein regelmäßig angepeiltes Kreuzfahrtziel und somit schon lange den Umgang mit Touristen gewöhnt. Das Segelkreuzfahrtschiff Sea Cloud II der Hamburger Sea Cloud Reederei zum Beispiel macht hier Halt auf seiner Route von Willemstadt nach Costa Rica. Auch die vielen Einkaufsmöglichkeiten für Kleidung und Genussgüter kurbeln die Kreuzfahrtwirtschaft in der Hauptstadt an.
Die Schifffahrtstouristen tragen maßgebend dazu bei, dass Aruba fünfzehn Mal so viele Touristen pro Jahr empfängt, wie die Insel Einwohner hat. Man muss etwas tiefer blicken, um das authentische Aruba zu erkennen. Viele der Souvenirläden verkaufen statt originärer Erzeugnisse eher karibisch angehauchte Modellwindmühlen und Holzschuhe.
Veranstaltungen auf Aruba, Bonaire und Curaçao
Alle kulturinteressierten Gäste der drei Inseln finden das ganze Jahr über spannende Veranstaltungen von Musikfestivals über Ausstellungen bis hin zu den örtlichen Festtagen. Eine der bedeutendsten Musikveranstaltungen findet jedes Jahr im September auf Aruba statt: das Aruba Piano Festival, bei dem sich die internationale Creme de la Creme der klassischen und zeitgenössischen Pianisten die Ehre gibt.
Jeden Dienstag können Besucher der Insel außerdem dem Bon Bini Festival beiwohnen, das im Fort Zoutman – eine ehemalige Festung – stattfindet. Bei diesem Event wird die kulturelle Identität Arubas präsentiert: Typische Tanzdarbietungen und Trommelmusik begleiten das Angebot an Kunst und Kost der Insel.
Seit 2010 findet auf Curaçao das jährliche North Sea Jazz Festival statt. Die Umgebung der Piscadera Bay hat zwar wahrlich nichts mit der Nordsee zu tun, doch der Veranstaltungsname leitet sich von dem Mutterfestival ab, das seit 1976 in den Niederlanden (zuerst in Den Haag, seit 2006 in Rotterdam) stattfindet. Vielleicht sind es die traumhafte Umgebung und die Atmosphäre, die jedes Jahr zwischen August und September namenhafte internationale Künstler der Jazz- und Soulwelt – wie Erykah Badu oder Gladys Knight – für den deutlich kleineren karibischen Ableger auf Curaçao gewinnen.
Karneval wird auf jeder der ABC-Inseln groß geschrieben. In der Zeit von Januar bis Aschermittwoch gibt es immer wieder bunte Veranstaltungen mit viel Musik und ausgefallenen Kostümen. Jede Insel hat hierbei ihre eigenen Traditionen und Höhepunkte. Auf Aruba zum Beispiel beginnen die Feierlichkeiten – ähnlich wie im Rheinland – schon am 11.11. um 11:11 Uhr.
Neben den üblichen christlichen Festlichkeiten, feiern die Inseln auch den Koninginnedag (ab 2014 den Königstag) zu Ehren des Niederländischen Königshauses. Darüber hinaus hat jede der ABC-Inseln ihre individuellen Nationalfeiertage, an denen es besonders volkstümlich zugeht.
Die einzelnen Feiertage sind gut über das Jahr verteilt. Während Arubas Tag der Flagge und Nationalhymne jedes Jahr am 18. März stattfindet, feiert Curaçao seinen Flaggentag am 2. Juli. Bonaire zieht schließlich am 6. September mit dem Nationalfeiertag nach. So gibt es das ganze Jahr über immer wieder Gelegenheit, die farbenfrohen Umzüge, Trommelgruppen und Stände mit einheimischen Gerichten und Getränken zu erleben.
Kulinarische Höhepunkte der ABC-Inseln
Wie überall auf der Welt definiert sich die Küche über die originär vorhandenen Zutaten. Wer sich traut, kann zum Beispiel auf Bonaire Leguan probieren. Weniger abenteuerlich ist die reiche Auswahl an Fisch und Meeresfrüchten, die hier frisch aus dem Meer kommt.
Der koloniale Einfluss auf den Inseln ist aber auch im kulinarischen Bereich zu spüren. Manche ortseigene Speisen weisen Elemente der niederländischen Küche auf. Die Nationalspeise Curaçaos zum Beispiel, das Keshi Yená – übersetzt „gestopfter Käse“ – ist eine Mischung aus Hühnchen, Gemüse und kreolischen Gewürzen, die in einer Schale aus Gouda oder Edamer eingebacken werden.
Eines der bekanntesten Produkte der Inseln ist der Curaçao. Für die Herstellung dieses Likörs wird die Schale von Bitterorangen in klarem Alkohol eingelegt, bis sie ihre Farb- und Aromastoffe auf das Destillat übertragen hat. Ursprung des Rezeptes waren die Bemühungen der spanischen Siedler, die hier vergebens versuchten Orangen anzubauen. Diesen Bemühungen hat man nun heute das Getränk zu verdanken. Da die Böden sich nicht als tauglich erwiesen, verwilderten die Plantagen. Hier entstand eine Unterart der Pomeranze, deren Schale die Schlüsselzutat des Likörs ist. Auch wenn der erste Likör mit Curaçao-Früchten ironischerweise in Frankreich produziert wurde, hat sich der „of Curaçao“ inzwischen einen Namen gemacht. Die Tradition der Curaçao-Produktion reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Wer möchte, kann die Destille der Familie Senior auf der Insel besuchen.
Die Kultur und Natur der ABC-Inseln haben viele Facetten, die es zu erkunden lohnt. Wer also eine Auszeit vom unbeständigen Wetter Nordeuropas sucht, findet hier den passenden Ort, ohne komplett auf europäische Vorzüge, wie das Zahlen mit Euro (nicht als offizielle Währung aber in der Gastwirtschaft zumeist akzeptiert) oder kontinentale Komfort-Standards zu verzichten. Zudem wird auf den Inseln flächendeckend Englisch gesprochen. Über das gesamte Jahr hinweg werden regelmäßige Flugverbindungen von Amsterdam aus angeboten.
Sehr, sehr schön und interessant!
Das ist nicht fair, Christian, hier will sich der Winter einfach nicht verabschieden, und du löst bei mir mit deinem wunderschönen und gleichzeitig informativen Beitrag Fernweh aus nach sonnigen Stränden, eiskalten Drinks und karibischer Leichtigkeit des Lebens. Oh island in the sun…
Nur schade, dass die Deutschen im Allgemeinen so gar keinen Bezug mehr zu ihren ehemaligen Überseeterritorien haben, ganz im Gegensatz zu den Bewohnern dieser Gebiete. Eine Kamerunerin hat mir neulich von der abwechlungsreichen Geschichte ihres Landes erzählt und dabei von der deutschen Kolonialzeit als dem besten Teil geschwärmt. (Wenn das nun mal stimmt! Aber egal.) Und welcher Deutsche nimmt schon wahr, dass seine Sprache eine der Nationalsprachen Namibias ist und dort wesentlich mehr Muttersprachler aufweisen kann als die einzige Amtssprache Englisch?
Vielleicht mache ich ja mal Urlaub in einem einst deutschen Teil der Südsee… am besten, wenn unsere Breiten wieder vom frostigen Winter besucht werden. Oder besser doch in den Niederlänischen Antillen? — Christian, du machst es mir nicht leicht! ;-)
Viele Menschen reagieren hier nicht. Hat man durch alle Erzählungen über Steuerparadiese vielleicht kalte Füße bekommen? Aber gerade gegen kalte Füße sind die Antillen so wirksam … .
Nun, das Problem ist wohl eher, daß die Antillen in jeder Hinsicht weit, weit weg sind. Warst du schon mal da? Kennst du jemanden, der schon mal da war? Nee, nicht? Na siehste, das ist es eben.
Unsere arme Alex! Da gibt sie sich so viel Mühe und bereitet immer neue Themen auf – und dann das. Frustrierend. Alex, wij waarderen jouw moeite. Dikke knuffel en zoentje voor jij!
Das Leben ist nun mal hart und ungerecht, Patricia ;-)
Was vermutlich auch eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass das Thema wenig kontrovers ist und nicht wirklich zum Diskutieren einlädt. Dieser Gastartikel von Christian Meyer will in erster Linie informieren und das tut er, finde ich, ziemlich gut. Übrigens habe ich einige lobende Reaktionen per E-Mail erhalten. Die tauchen hier natürlich nicht auf.
Selbst war ich nur mal auf Sint Maarten; die anderen Inseln der Antillen kenne ich nicht, wohl aber die britischen Jungferninseln, die ebenfalls in der Karibik liegen. Ich fand es wunderschön dort: fantastisches Wetter, schöne Buchten fast *ohne* (andere) Touristen, keine giftigen Tiere – echt ein kleines Urlaubsparadies. Eine Reise dorthin kann ich sehr empfehlen.
Ich finde den Artikel auch sehr interessant, da die diversen Inseln für mich eine ziemliche Bildungslücke darstellten. Wo kommt der Name „Inseln unter dem Winde“ eigentlich her?
http://en.wikipedia.org/wiki/Windward_Islands#Name_and_geography