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au oder ou?

Last updated on 25-10-2017

Für den Laut [au] hat das Niederländische zwei unterschiedliche Schreibweisen. Neben dem vertrauten „au“ gibt es nämlich auch „ou“. Das kann anfangs verwirrend sein, wenn man die Sprache lernt.

Im Deutschen ist es einfach. Der Diphthong, oder Zwielaut, [au] schreibt sich „au„, also „a“ plus „u“. Diese Schreibweise kennt man im Niederländischen ebenso. Parallel dazu exisistiert jedoch auch die Form „ou“ – „o“ plus „u“. In der Aussprache hört man zwischen den beiden Varianten keinen Unterschied, zumindest nicht in der Standardsprache. Die Form mit „ou“ dürfte etwas häufiger vorkommen als die mit „au“.

In mindestens einem Fall geht mit „au“ und „ou“ ein Bedeutungsunterschied einher. So bezeichnet rouw auf Deutsch Trauer, während rauw roh bedeutet.

Warum gibt es diese zwei Formen? Und gibt es eine Regel, mit deren Hilfe man feststellen kann, welche Schreibweise die richtige ist?

Ursprung

Wie so oft ist die Antwort in der Vergangenheit zu finden. „au“ und „ou“ sind historisch gewachsen. Während „au“ immer schon een tweeklank (Zwielaut) war, hat „ou“ andere etymologische Wurzeln. Sehr schön kann man das erkennen, wenn man niederländische ou-Wörter mit ihren deutschen und englischen Pendants vergleicht. Oft entspricht „ou“ hier „al“ bzw. „ol“.

ou

Niederländisch Deutsch Englisch
koud kalt cold
oud alt old
goud Gold gold
zout Salz salt
schouder Schulter shoulder

Nou nou …

Obwohl es vielleicht verlockend ist, sollte man das niederländische „ou“ nicht „auf Französisch“ – also wie ein „u“ – aussprechen. Für diesen Laut hat man im Niederländischen die Buchstabenkombi oe. Diese unterschiedliche Aussprache veranschaulichen auch die beiden niederländischen Seufzer nou nou und poe poe

au

In Wörtern, die ursprünglich aus dem Griechischen oder dem Lateinischen stammen, findet man sowohl im Deutschen als auch im Niederländischen „au“: automatisch, Audienz/audiëntie, authentisch/authentiek, audio, August/augustus.

Auch beispielsweise bei lau/lauw, grau/grauw (in der Bedeutung farblos, trostlos, elend), Klaue/klauw und Augenbraue/wenkbrauw haben beide Sprachen „au“.

Deutsche Wörter mit „au“ haben aber häufig eine niederländische Entsprechung mit einem ganz anderen Vokal:

Deutsch Niederländisch
sauer zuur
Dauer duur
grau grijs
Kraushaar kroeshaar
Haus huis
aus uit
Tausend duizend

Und machmal steht im Deutschen „au“ und im Niederländischen „ou“:

Frau – vrouw
Bau – bouw
Gebäude – gebouw
lauter – louter
Tau – touw

Lange und kurze „Eier“

[au] ist übrigens nicht der einzige Laut, für den es zwei Schreibvarianten gibt. Auch beim Zwielaut [ɛi] ist das der Fall. Dort findet man das lange ij und das korte ei.

37 Kommentare

  1. Sehr schöne Vergleiche zwischen den Schwestersprachen, die die geschichtlichen Zusammenhänge gut zeigen. Danke übrigens für den Link nach taaldenker.wordpress.com. Ich wusste gar nicht, dass es im Südosten noch Dialekte gibt, die den Unterschied zwischen au und ou durchgehend bewahrt haben.

    Nur einen Umstand halte ich noch für erwähnenswert: nämlich, dass in der Standardsprache die vier Buchstabengruppen au, auw, ou, ouw alle exakt gleich ausgesprochen werden (jou=jouw usw.). Das bestätigt mir auch das Uitspraakwoordenboek von Josée Heemskerk und Wim Zonneveld.

    • Du hast recht, Charlie: jou und jouw klingen gleich. Das habe ich in dem entsprechenden Post zwar gesagt, aber hier passt es als Hinweis auch gut hin.

      • Bouke Bouke

        Daar ben ik het niet helemaal mee eens. De „w“ aan het eind wordt wel degelijk uitgesproken, waarbij de mond zeg maar in een verticale ovaal samengetrokken wordt. Althans, zo ken ik het.

        • In der Praxis hört man aber wirklich keinen Unterschied. Zwischen „u“ und „uw“ schon, aber zwischen „jou“ und „jouw“ nicht.

          • Henning Henning

            Gilt das allgemein oder nur speziell in einigen Gebieten?

  2. Jo. Frenk Jo. Frenk

    Sehr interessant!

    Spannend finde ich auch, wenn man Niederländisch, Englisch, Hochdeutsch und Plattdeutsch miteinander vergleicht. Ich denke, da wird man an vielen Stellen feststellen, dass die plattdeutsche näher an der niederländischen Schwestersprache oder auch der englischen Sprache dran ist, als an der hochdeutschen Sprache (z.B. „kold“ für „kalt“, „Salt“ für „Salz“, „suer“, „sur“ oder „suur“ für „sauer“, „Duur“ für „Dauer“, „gries“ für „grau“, „Hus“ oder „Huus“ für „Haus“; siehe z.B.: http://www.deutsch-plattdeutsch.de/). Kein Wunder, denn z.B. „im westlichen Münsterland wird Sandplatt (Westmünsterländer Platt) gesprochen, welches vom Niederländischen beeinflusst wurde“ (siehe: http://www.muensterlaender-platt.de/).

    Viele Grüße
    Jo.

    • Henning Henning

      Ich kenne es eher so, dass dort ein sogenanntes Sprachkontinuum vom Münsterland / Westfalen in Richtung Niederlande (oder umgekehrt – wie es beliebt ;-)) besteht. Eine „Rückwärtsbeeinflussung“ durch die niederländische Hochsprache halte ich – Ausnahmen mögen die Regel bestätigen – für nicht wahrscheinlich.

      • Ik denk dat alles wat in Nederland met ‚Nedersaksisch‘ wordt aangeduid, grote overeenkomsten met ‚Plattduuts‘ vertoont. In ons dialect (in de buurt van Hardenberg) zeggen we ook ‚kold‘ in plaats van ‚koud‘.

        Overigens Alexandra, bij het plaatje met onderschrift „Twee oudere vrouwen“ meen ik toch echt één man te kunnen onderscheiden ;-)

        Verder weer erg interessant; ik word me steeds bewuster van de overeenkomsten en vooral de verschillen tussen de beide talen!

        • Henning Henning

          Nicht nur im Norden, auch im Süden in Limburg gilt ähnliches.

          Da die Grenzen ja früher durch Krieg, Heirat usw. relativ willkürlich gezogen wurden (s. Kanonschuss östlich der Maas oder den Extremfall Baarle), fanden sich Geschwister und Verwandte plötzlich als Untertanen unterschiedlicher Herrscher wieder. Aber die Sprache blieb dieselbe. Das änderte sich erst mit der Einführung der längerdauernden Schulpflicht und des Fernsehens.

          Wie eng die Verwandschaft der beiden Sprachen ist, ist mir beim Lernen des Niederländischen einmal ganz deutlich geworden. Zunächst hatte ich das „n“ am Schluss immer mitgesprochen. Als ich dann anfing Niederländisch zu lernen, war ich erst einmal frustriert, weil ich jetzt wieder umlernen musste. Als mir allerdings auffiel, dass selbst im doch recht (räumlich ) weit entfernten kölnischen Dialekt (Kölsch) das „n“ nicht gesprochen wird und dass viele Verben identisch sind, ging das Lernen deutlich leichter von der Hand.

  3. Henning Henning

    Der Begriff „Zwielaut“ wird im Deutschen eher selten benutzt. Ich will allerdings nicht ausschließen, dass er in irgendwelchen Bundesländern im Unterricht verwendet wird. Mir ist der Begriff in NRW bisher nicht begegnet (OK, vielleicht schlägt auch der Herr Alzheimer zu). Gebräuchlicher ist Diphthong. Ich musste erst mal überlegen, was ein Zwielaut ist.

    Hier ist das Niederländische für den Muttersprachler übrigens weitaus anschaulicher als das Deutsche. Ebenso wie beim deutschen Quadratmeter (vierkante meter).

    • Ich bin ehrlich gesagt auch kein Fan von „Zwielaut“ (ich schreibe versehentlich auch meistens „Zweilaut“ und muss mich dann korrigieren …) aber mit der Bezeichnung „Diphthong“ können viele Leute, meiner Erfahrung nach, wenig anfangen.

      • Henning Henning

        http://de.wikipedia.org/wiki/Diphthong sagt, dass Zweilaut auch richtig ist.

        Nebenbei: Diphthong ist der Begriff, der an weiterführenden Schulen gelehrt wird. Ich glaube, dass viele Menschen auch mit einem Zwei- oder Zwielaut nicht viel anfangen können, wenn sie nicht gerade ein Beispiel präsentiert bekommen (was du ja glücklicherweise gemacht hast.).

        • Und wie bringen sie den Kindern auf anderen Schulen bei, dass nach Diphthongen ß und nicht ss zu schreiben ist?

          • Henning Henning

            Nach langen Vokalen (auch, wenn es Diphthonge sind) wird „ß“ geschrieben, nach kurzen „ss“. Ich bin nicht wirklich ein großer Fan der letzten Rechtschreibreform, aber diese
            Änderung finde ich sinnvoll und einleuchtend.

          • Charlie, die Frage hat aber herzlich wenig mit dem Postthema zu tun. Im Niederländischen gibt es ja kein ß ….

            • Und im Deutschen gibt es zudem nicht wirklich das „nicht wirklich“. Das ist bloß wieder einmal eine falsche Übersetzung aus dem Englischen: „not really“.

              Henning, Du solltest Dich möglicherweise mit Verbesserungen zurückhalten, wenn Du zu Anglizismen neigst. ;o)

              PS: Ja, im Niederländischen gibt es kein ß. Leider auch schon lange nicht mehr in der Schweiz und, „dank“ Rechtschreibreform seltener im Deutschen. Dabei ist es doch so ein schöner Buchstabe, der uns Wörter erkennen läßt, ohne jedesmal beim Lesen zu stolpern. Oder kommen Nusssorte, Baletttänzerin oder Kussszenen besser herüber?

                • Bei mir nicht, Alex – da bekomme ich Zahnweh. Denn:

                  nicht schön = unschön
                  nicht fertig = unfertig
                  nicht wirklich = unwirklich

                  Möchte man tatsächlich so etwas sagen wie zum Beispiel: „Ich habe mich unwirklich um meinen Papierkram gemüht“?

                  • Ähm, es sollte be- und nicht gemüht heißen.

                    Gleichzeitig ist das ein Versuch, ob ich nun ein Bildchen habe. Laut Gravatar soll es so sein.

                  • Marko, das ist „unganz“ so, wie du schreibst. Dein Test mit dem Präfix un- funktioniert „unimmer“.

                    • Charlie, Deine beiden Sätze machen mich so was von unfertig! ;o)

  4. Trijntje Trijntje

    Leuke bijdrage weer; ik wist niet dat ‚ou‘ vaak terug gaat op ‚ol‘.

  5. Daniel Daniel

    Die Worte „nou“ (nun, jetzt) und „nauw“ (in het nauw zitten = in der Klemme sitzen) werden ebenfalls unterschiedlich geschrieben, aber gleich ausgesprochen.

    • Daniel Daniel

      „de kou“ (Kälte) und „de kauw“ (Dohle) bzw. „ik kauw“ (ich kaue) trouwens ook. Wow!

  6. Gewiß ist das verwirrend, doch zu sehr wundern sollte man sich nicht.

    Beispielsweise habe ich mich schon oft genug gefragt, wieso im Englischen „gh“ mal als F (enough), mal stimmlos (though) ausgesprochen wird. Und im Französischen gibt es mehrere Endung, die auf „o“ lauten: zum Beispiel eau, eaux und aux, um nur drei zu nennen.

    Generell gilt wohl, daß man die Unterschiede schlichtweg kennen und lernen muß.

    PS: Wie bekomme ich es eigentlich hin, Alex, mir auf Deiner Seite ein Profilbildchen einzurichten?

    • alex alex

      Hallo Marco, auf http://de.gravatar.com kannst Du Deine E-Mail-Adresse mit einem Profilbild nach Wahl verknüpfen. Das wird dann immer wenn Du auf einer WordPress-Seite (wie buurtaal) unter der Mail-Adresse kommentierst, gezeigt.

      • Seltsam, Alex. Gestern hat das mit dem Bildchen endlich funktioniert, heute plötzlich nicht mehr. Grmpfff…

        • Hast Du in allen Fällen die gleiche E-Mail-Adresse benutzt?

          • Ja, Alex. Und wenn ich mich auf Gravatar einlogge, bekomme ich auch mein Bildchen zu sehen.

            Es funktionierte schon auf Deiner Seite, doch inzwischen nicht mehr *grübel* Hm, ich kann es nicht nachvollziehen.

  7. Henning Henning

    Hinsichtlich vrouwe, bouw und touw haben sich interessanterweise die im Mittelhochdeutschen bzw. im Niederhochdeutschen vorhandenen Schreibweisen erhalten zu haben.

    Kann es sein, dass die Änderungen bezüglich des „l“ (Walter -> Wouter, Wald -> woud) durch das weit hinten gesprochene „l“ entstanden sind?

    • Henning fragte:
      Kann es sein, dass die Änderungen bezüglich des “l” (Walter -> Wouter, Wald -> woud) durch das weit hinten gesprochene “l” entstanden sind?

      Ja, die häufige Laufverschiebung l → o/u ist typisch für Sprachvarianten mit weit hinten gesprochenem („velarisiertem“) l im Auslaut oder vor Konsonant, z.B. Serbisch/Kroatisch (Belgrad → Beograd), Londoner Cockney (bell → be-o), Altfranzösisch (saltar → sauter „springen“) usw. usf. Gibt’s auch in deutschen Dialekten, besonders im Südosten des Sprachgebiets.

      Mir geht es übrigens wie dir: Schreibweisen mit ouw u.ä. kommen mir aus älterer Literatur wie dem Nibelungenlied sehr deutsch vor.

  8. Bei meiner Omma war es übrigens an kalten Tagen „kauld“ mit ganz wenig L.
    Und wenn ich mir die Liste mit „sauer — zuur“ angucke, könnte man auf den Gedanken kommen, sie sei Niederländerin gewesen.
    Das hörte sich bei ihr alles sehr ähnlich an.
    Unser rheinisch-bergischer Dialekt ist halt nah dran am Niederländischen.

    • Meine Güte, hier lernt man heftig etwas hinzu, um jetzt nur Charlie und Frau Vorgarten zu nennen. Das ist schon hohes Niveau, wenn ich bedenke, was Verwandte und Bekannte dazu auf gut hessisch sagen würden:

      Ei Bubb, des is‘ mir wurscht!

      ;o)

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