Last updated on 28-09-2024
Was wird jemand aus den Niederlanden tun, wenn du Folgendes sagst?
Ik versta je niet.
Sie oder er wird das Gesagte wiederholen und dabei deutlicher und wahrscheinlich lauter sprechen als im ersten Durchgang.
Das ist super, wenn du die Botschaft tatsächlich akustisch nicht gut verstanden hast. Das niederländische Verb verstaan bedeutet nämlich genau das.
ik versta je niet = ich kann dich nicht verstehen (sprich bitte lauter, oder komm' näher)
Wenn aber nicht deine Ohren das Problem sind, sondern du Schwierigkeiten hast, das Gesagte geistig zu erfassen, dann funktioniert verstaan nicht. In dieser Situation benutzt man im Niederländischen ein anderes Verb: begrijpen.
Ik begrijp je niet.
Im Prinzip könnte man diesen Satz mit „ich begreife dich nicht“ ins Deutsche zurückübersetzen, aber das wird kaum jemand tun.
Durchdringen
Begreifen heißt zwar auch, dass das Hirn eine Information verarbeitet hat, aber es geht nach meinem Gefühl noch einen Schritt weiter. Wer etwas begreift, erkennt es auch in seinen Zusammenhängen. Er hat die Sache sozusagen durchdrungen. Das Niederländische macht diesen sprachlichen Unterschied nicht.
Da ich keine deutsche Muttersprachlerin bin, weiß ich nicht genau, ob diese Interpretation stimmt. Ich bin also sehr gespannt auf Eure Meinungen dazu. In der Praxis kommt verstehen wesentlich häufiger vor als begreifen (und das vermutlich sowohl im sprachlichen als auch im geistigen Sinne …)
Im Deutschen passt verstehen also für sowohl die Aufnahme über die Ohren als auch über das Hirn. Beim Satz
Ich verstehe dich nicht.
wird aus dem Kontext hervorgehen müssen, was genau gemeint ist.
Tipp: snappen
Eine umgangssprachliche Alternative zu begrijpen ist das Verb snappen:
Ik snap het niet – Ich verstehe es nicht.
Ohr und Hirn (sprachlich) getrennt
Das Niederländische unterscheidet somit viel strikter als das Deutsche zwischen akustischer und geistiger Erfassung einer Information. In dem ersten Fall, wo es um die reine Aufnahme von Information geht, ist verstaan zuständig, im zweiten begrijpen.
Dieses kleine Video fasst es noch mal zusammen
Erstveröffentlichungsdatum dieses Artikels: 11.09.2014
Danke, für die tolle Erklärung! Ich wusste, mit meinen Basic-Holländisch-Kenntnissen, bis jetzt nicht was genau der Unterschied ist – in Zukunft kann ich nachfragen, ohne dass mein Gegenüber immer lauter wird und ich trotzdem nichts verstehe ;-)).
Ich denke, Deine Interpretation von „begreifen“ im Deutschen trifft es ganz gut, wobei der Unterschied zu „verstehen“ dann nur Nuancen sind, außer dass man verstehen eben auch im akkustischen Fall anwenden kann und begreifen nicht….
Ich hab Deinen Blog vor kurzem entdeckt, da ich Holland und die holländische Sprache sehr mag, werde ich nun sicher öfter vorbei schauen.
LG, Mecki
Freut mich sehr, dass meine Erklärung Dir weiterhelfen konnte. Danke fürs Kompliment!
„Im Niederländischen“ ist hier eine Verallgemeinerung: in Flandern bedeutet verstaan auch begrijpen. Im Anfang in Belgien habe ich das oft falsch verstanden.
Danke Dir für die Ergänzung Ernst!
Da man in Belgien aber beide Verben kennt, bzw. „versteht“, würde ich Deutschen, die Niederländisch lernen, empfehlen, beim Selber-Sprechen konsequent auf diese Trennung zu achten.
Gute Idee, denn Flämisch ist kein Standardniederländisch.
Aber macht eigentlich kein Flauß aus, die Holländer (vielleicht sogar alle Nordniederländer) hören sowieso dass es sich um einen Ausländer handelt :-)
Es macht kein Flauß aus!
Da ist es wieder! Ich habe es ungefähr 20 Jahre lang nicht gehört (hier: gelesen) und zweifelte schon an meinen Erinnerungen.
Aber anscheinend gibt es die Redewendung doch.
Danke Herr Sittig!
:-)
Ich sah manchmal, die Sendung „Verstehen Sie Spaß“.
Nie habe ich begriffen, was an diese Sendung so lustig ist.
Danke Alex,
Wieder was gelernt! Könnte bei meinem nächsten Projekt mit Ans Hoornweg nützlich sein, denn sie ist schwerhörig. Dus zal ze me waarschijnlijk niet goed verstaan. Beim letzten Mal war das auch so.
Nun denn, diesmal also ein Megaphon mitnehmen.
Patricia: ;-)
Es ist ein weit verbreiteter und anscheinend nicht auszurottender Trugschluß, daß man Schwerhörige anbrüllen müsse. Das muß man gar nicht. Ich bin selbst etwas schwerhörig und weiß, wovon ich rede. Normale Sprechlautstärke oder ein geringfügiges Lautersprechen reicht völlig, und mitunter ist nicht einmal das nötig (es kommt auf den Lärmpegel in der Umgebung an). Viel wichtiger ist, daß man den Betreffenden beim Sprechen anschaut, damit er vom Mund ablesen kann, und daß man klar und deutlich spricht (und nicht in den Bart reinmurmelt). Brüllen tut Schwerhörigen genauso in den Ohren weh wie normal Hörenden, und besser verstehen oder begreifen werden sie einen davon kaum. Man nennt das übrigens „Lautheitsausgleich“; schau mal hier nach:
http://de.wikipedia.org/wiki/Recruitment
Und verschone die arme Frau mit deinem Megaphon ;-).
Hast Du Dir das Video angeschaut, Tina?
Ja, hab ich, allerdings ohne Ton, da ich keine Lautsprecher habe (und ich glaube, ich habe es trotzdem begriffen ;-) )
Nein, Tina, Ans ist wirklich SEHR SCHWERHÖRIG. Mit normaler Lautstärke kommt man da wirklich nicht weit. Jeder Schwerhörige ist anders schwerhörig, so wie auch jeder einen anderen Tinnitus oder eine andere Fehlsichtigkeit hat ….
Die Trickzeichnung für die Erklärung finde ich klasse. So versteht man den Sachverhalt schnell und einfach.
Tolle Idee!
Ja, ganz klasse, Alex,
ich schließe mich Hennings Kommentar an. So hätte ich gern Sprachenunterricht in der Schule gehabt!
Danke Euch, Henning und Lucy!
Wissensvermittlung muss nicht immer dröge sein :-) Die Erstellung des Filmchens hat mir richtig Spaß gemacht. Vielleicht werde ich diese Technik in Zukunft häufiger einsetzen.
„Vielleicht werde ich diese Technik in Zukunft häufiger einsetzen. “
Ja, bitte!
Ja, ja, die deutsche Sprache ist manchmal auch für einen Muttersprachler schwierig. Ich würde in diesem Fall sagen das Wort verstehen gilt sowohl für die Lautstärke, die Aussprache und auch für die Ansichten und Handlungen eines Anderen. Beispiel:“Ich verstehe dich nicht, wie konntest Du so etwas tun oder denken“. „Ich verstehe deine Ansichten nicht“ oder „ich verstehe die Welt nicht mehr“. Es wird aber auch bei Beziehungen untereinander eingesetzt wie z. B.:
„Wir verstehen uns gut oder ich verstehe mich gut mit meinen Kollegen“.
Das Wort Begreifen bezieht sich mehr auf Ansichten und Handlungen eines Anderen oder auch auf z. B. Spielregeln: „Ich begreife Dich nicht, wie konntest Du so etwas sagen, denken oder tun?“ Hierbei passt aber genauso das Wort „kapieren“. „Ich kapier es einfach nicht, wie kann man nur so etwas denken“ oder „Dieses Spiel oder die Regeln werde ich nie kapieren“.
Bei kapieren passt meiner Ansicht nach im Niederländischen aber besser : „Ik snap het niet, hoe kan je zoiets denken of doen“. Jetzt hoffe ich nur dass ich bei meinen Westerburen nicht noch mehr Verwirrung gestiftet habe.
groetjes Michael
Toller Film, liebe Alex, super gemacht! So prägt sich der Unterschied sehr gut ein.
Ik heb het gesnapt – ich habe es kapiert – kann ich das auch so sagen? Ich weiß nicht, ob es ganz richtig geschrieben ist, mit den doppelten Buchstaben habe ich als so meine Schwierigkeiten…..
Vielen Dank :-):-):-)
Ik heb het gesnapt ist prima Niederländisch, Susanne. Du kannst auch sagen: Nu snap ik het.
Snappen bedeutet das gleiche wie begrijpen. Es ist nur umgangssprachlich.
Als deutscher Muttersprachler und blutiger Angänger im Niederländisch lernen (und Physiker mit Hang zu klarer, logischer Sprechweise) sehe ich hier einen deutlichen Vorteil des Niederländischen zu meiner Muttersprache. Wie häufig verwende ich im Deutschen die Floskel „das habe ich nicht verstanden“, mit nachgeschobenem, fast entschuldigendem „ – also akkustisch nicht“. Ich plädiere hiermit für die Einführung des Niederlandizismus „verstaan“ ins Deutsche mit der Bedeutung „akkustisch verstehen“!
Ein guter Plan, Mike ;)
Jede Sprache hat Unterscheidungen, die manche anderen nicht haben. Erkläre den Unterschied zwischen „mindestens“, „wenigstens“, und „zumindest“. :-)
Ein sehr wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis der niederländischen Sprache und das Video ist leicht verständlich gestaltet. Im Deutschen stellt man seinem Gesprächspartner auch oft die Frage: Weißt du,was ich meine? Das ist eine Art Lückenfüller in Gesprächen;könnte man aber auch als (Mit)Übersetzung für Begrijp je? nehmen.
Ja, das stimmt. Danke für deine Ergänzung Kirsten.
Ich spreche Niederländisch seit ca. 15 Jahren und kann es auch fließend sprechen, wobei ich es DEUTLICH besser sprechen kann, als verstehen. Das liegt daran, dass doch viele Niederländer, vor allem wenn man weiter ins Land reinkommt (Nord-Holland, die Gegend da so, auch in Breda teilweise), grausam schnell sprechen.
Leider gibt es Leute, die mich angesprochen haben auf Niederländisch und dabei dermaßen schnell gesprochen haben, sodass ich fast schon peinlicherweise immer wieder fragen musste „Sorry, wat zei je“ oder „Ik versta je niet“. Glücklicherweise habe ich es dann beim zweiten oder dritten Mal verstanden, also geistig. Ich habe kein Problem, wenn Menschen schnell, aber deutlich und klar sprechen, aber wenn sie schnell und undeutlich sprechen, was leider sehr viele machen, verstehe ich kein Wort :( Besonders, wenn man durch Städte läuft und man z.B. eine Gruppe Menschen im Café sprechen hört und die wild durcheinander sprechen – einzelne Wörter sind zu entnehmen, aber auf nicht mal der Zusammenhang, obwohl ich selbst fließend sprechen kann. Ich habe mir mal die Serie „Flikken Rotterdam“ angeguckt. Vom Schauspieler Cees Geel habe ich fast kaum ein Wort (geistig) verstehen können als Beispiel, auch Peter Paul Muller war ziemlich schwer. Sprechen die einen besonderen Dialekt? Das ist ein sehr komisches Phänomen leider! Weil ich schaue extrem viel niederländisches TV und auch Radio und versuche viel niederländische Filme zu sehen. Meines Erachtens ist es leichter Niederländisch zu lernen und selbst zu sprechen, als viele Menschen dort zu verstehen. Niederländer, die ich gut verstanden habe, die klar sprachen, waren aber begeistert von dem Niederländisch, was ich mit ihnen gesprochen habe. Die Leute in Städten, wie Uden, Apeldoorn, auch Maastricht habe ich relativ gut verstanden. Tilburg war so grenzwertig.
Im Deutschen – wie hier schon angesprochen – kann man „verstehen“ sowohl geistig, als auch wenn man es akustisch nicht verstanden hat, verwenden.
Wenn ich etwas geistig nicht verstanden habe, würde ich es so formulieren: „Sorry, ich habe DAS nicht verstanden“. Wenn ich es akustisch nicht verstehe: „(Sorry), ich habe Dich/Sie nicht (ganz) verstanden“. Hier wird der Satz ein wenig umgestellt bei der Formulierung.
Aber werde mal drauf achten, wenn ich wieder in NL bin, wenn ich es geistig nicht verstehe, zu sagen „Ik begrijp je niet“, denn das kommt deutlich häufiger vor, als dass ich es akustisch nicht verstehe.