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Warum Sterbehilfe in den Niederlanden für Deutsche keine Option ist

Last updated on 25-11-2024

Es gibt einen Post hier auf buurtaal, von dem ich mir manchmal wünschte, dass ich ihn nie geschrieben hätte. Manchmal. Denn das Thema ist mir einfach zu wichtig, um es nicht zu besprechen.

Es geht um den Artikel zu Sterbehilfe in den Niederlanden, den ich Anfang 2012 geschrieben habe. Es ist – mit derzeit 83 Reaktionen – einer der am häufigsten kommentierten Beiträge hier auf buurtaal.

Hilfegesuche aus Deutschland

Seitdem erreichen mich immer mal wieder Anfragen von Deutschen, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen. Menschen in Bedrängnis, die unerträglich leiden, für die das Leben zur Qual geworden ist. Menschen, die ihr Leben beenden möchten und dafür Hilfe suchen, aber nicht finden.

Sie möchten, dass ich Ihnen helfe, Kontakt zu niederländischen Ärzten herzustellen, um so ihren letzten Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen.

Diese Anfragen kommen per E-Mail und per Telefon und sie belasten mich.

Ich kann diesen Menschen nicht helfen.

Ich bin keine Ärztin und auch keine Rechtsexpertin. Ich bin in diesem Fall einfach nur eine Bloggerin, die über dieses sehr wichtige Thema berichtet hat.

Sterbehilfe in den Niederlanden ist nur für Einwohner der Niederlande möglich.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die aktive Sterbehilfe in den Niederlanden ist nur für diejenigen gedacht, die dort leben und krankenversichert sind.

Man muss also nicht unbedingt die niederländische Staatsbürgerschaft besitzen, aber man muss seinen Lebensmittelpunkt in den Niederlanden haben.

Expertisecentrum Euthanasie

Das gilt für die “normale” Lebensbeendigung durch den eigenen Hausarzt oder die eigene Hausärztin, aber auch für das Expertisecentrum Euthanasie.

Diese Organisation mit Sitz in Den Haag wurde 2012 unter dem Namen Levenseindekliniek gegründet. Sie entstand damals aus einem Projekt der NVVE, der niederländischen Gesellschaft für das Recht auf Sterben, und hat sich zu einer professionellen Gesundheitsorganisation entwickelt.

Auf das Expertisecentrum Euthanasie setzen viele Niederländerinnen und Niederländer, wenn der eigene Arzt oder die eigene Ärztin nicht unterstützen kann oder will. Es gibt nämlich keinen Anspruch auf aktive Sterbehilfe. Ärzte und Ärztinnen dürfen das Ausführen von Sterbehilfe verweigern.

Keine Klinik

Das Expertisecentrum Euthanasie betreibt keine Klinik. Die Organisation arbeitet mit ca. 160 Ärzten und Pflegekräften im ganzen Land zusammen. Diese Ärzte und Ärztinnen sind es, die die tatsächliche Sterbehilfe durchführen – bei den Menschen zuhause, oder in Hospizen. Es gelten dabei genau die gleichen, strengen gesetzlichen und medizinischen Richtlinien wie für Sterbehilfe durch den eigenen Hausarzt.

Der entscheidende Punkt für Deutsche:

Anträge nimmt das Expertisecentrum nur von Personen mit Wohnsitz in den Niederlanden an, die bei einem niederländischen Hausarzt registriert sind, eine niederländische Krankenversicherung haben und gut Niederländisch oder Englisch sprechen:

Please be aware that we can only accept applications from people who have a Dutch residential address, are registered with a general practitioner based in the Netherlands, have Dutch health insurance and have a good command of the Dutch and/or English language.

Quelle: https://expertisecentrumeuthanasie.nl/en/

Wie gern ich auch etwas Anderes geschrieben hätte: Für Einwohner von Deutschland ist die niederländische “Lebensendeklinik” daher keine Option.

23 Kommentare

  1. Daniel Daniel

    Ich finde es schade, dass aktive Sterbehilfe in so wenigen Ländern erlaubt ist. Es geht hierbei schließlich um das eigene Leben und nicht um das eines anderen. Das Problem ist meiner Ansicht nach, dass viele Menschen den Tod per se als schlecht empfinden und daher der Meinung sind, dass (aktive) Sterbehilfe unmoralisch sei. Wenn man jedoch einem Patienten, der sich in einer gesundheitlich aussichtslosen Situation befindet und nur noch leidet, den Tod verweigert, dann ist das meiner Meinung nach ein Eingriff in die Menschenwürde. Denn schließlich wird einem ja die Entscheidung über das eigene Leben genommen und die einzige Konsequenz ist, dass sich das Leiden sinnlos verlängert. Dass bestimmte Ärzte aktive Sterbehilfe nicht durchführen wollen und dass nicht alle Fälle leicht zu bewerten sind, ist für mich verständlich. Was ich aber schlecht finde, ist, wenn man wie z.B. in Deutschland von vornherein keinen Anspruch auf aktive Sterbehilfe hat. Man sollte damit aufhören, Dinge als heilig und unantastbar zu bezeichnen, denn schließlich ist alles irgendwo relativ, selbst das Leben.

    • Hi Daniel,

      ja, es wäre gut, wenn das Thema (aktive) Sterbehilfe hier in Deutschland endlich mal aus der Tabu-Ecke rauskommt. In meinem ersten Beitrag über Sterbehilfe in den Niederlanden, auf den ich verlinkt habe, gibt es zahlreiche Kommentare dazu.

  2. Lucy van Pelt Lucy van Pelt

    Oh das tut mir leid, Alex. Natürlich bist Du nicht die Ansprechpartnerin für solche belastenden Anfragen. Um Himmels Willen!
    Alles Liebe, Lucy.

    • Danke Lucy. Diese Menschen kontaktieren mich aus Verzweiflung. Ich kann das nachvollziehen. Nur helfen kann ich ihnen nicht.

      • xtheunholyx xtheunholyx

        Ich finde, wie du schon gesagt hast, dass jemandem das Recht genommen wird selbst zu bestimmen wann sein Leben zu Ende ist, absolut schrecklich. Ich selber bin betroffen und würde zu gern sterbehilfe in Anspruch nehmen. Ich bin chronisch psychisch krank, mit meinen erst 20 Jahren möchte ich meinem Leiden ein Ende setzen. Ich möchte in Würde sterben können und nicht von jemanden gefunden werden so, dass man sehen kann wie qualvoll der letzte Schritt gewesen ist… Ich empfinde es als riesen Eingriff in meiner Selbstbestimmung.

        Liebe Alex, ich finde gut, dass du dieses tabu Thema besprichst. Dein Blog ist übrigens der einzige, der die Info gibt, dass in den Niederlanden nur für Einwohner das Angebot in Anspruch genommen werden kann…Vielen Dank dafür :)

        • Ich wünsche dir so sehr, dass sich die Lage hier ändert, xtheunholyx. Alles, alles Gute.

        • Tanja Tanja

          Hallo xtheunholyx

          ich würde gerne mit Dir Kontakt aufnehmen.

          Ich würde mich freuen, von Dir zu lesen.

          Tanja

  3. Katrin Bosse Katrin Bosse

    Wie groß muss die Verzweiflung der Menschen sein, wenn sie in Dich, eine Bloggerin, ihre Hoffnung setzen! Und wie belastend muss es sein, diesen Menschen dann erklären zu müssen, dass Du nichts, aber auch gar nichts für sie tun kannst. Du hast mein volles Mitgefühl, liebe Alex!

    Ganz abgesehen davon stimme ich Daniel in allen Punkten zu.

  4. Eve Eve

    Meine Freundin arbeitet in einer Tierarztpraxis und wir sind der gleichen Meinung: Die Tiere haben es besser als wir in diesem Punkt. Sie können wir erlösen, während wir unseren liebsten Menschen, unseren Verwandten und Freunden, beim elendigen Verrecken zugucken müssen…

    • Albert SCHALLER Albert SCHALLER

      Dem ist nichts hinzufügen, Tiere darf man erlösen, Menschen nicht und warum liegt auch auf der Hand: Wegen der Pharmaindustrie und der Ärztemafia, welche ja dann unglaubliche Einbußen hätten ..

      • Quatsch. Solche Kommentare verhindern eine ernsthafte Debatte. Ich bin auch der Meinung, dass Sterbehilfe leichter sein sollte, aber nicht aus solchen bescheuerten, verschwörungstheoretischen Gründen.

        Sind Sie jetzt nackt? Wenn nicht, sind Sie Opfer der Textilmafia? In Urlaub gefahren? Ein Opfer der Reisemafia, die ja Einbußen haben würden, wenn keiner mehr in Urlaub fahren würde.

        Wahrscheinlich glauben Sie auch dass Impfungen Autismus verursachen, dass nie ein Mensch auf dem Mond war, und das die Erde eine Scheibe ist.

        Noch einmal: Es sind wirre Behauptungen wie diese von Ihnen, die eine ernsthafte Debatte verhindern.

  5. Axel Dittmann Axel Dittmann

    Ich denke, es hat eventuell mit unserer Geschichte (Nazizeit) zu tun. Man traut sich da nicht wirklich ran. Obwohl das aktuelle Thema, mit dieser schlimmen Vergangenheit nicht zu vergleichen ist. Aber die Bürger anderer Länder könnten ja wieder sonst was über uns denken. Ich glaube für manche Politiker ist das Ansehen in der Welt wichtiger, wie das Leiden einzelner Menschen.

    • Hallo Axel, ja, ich denke auch, dass die deutsche Vergangenheit eine große Rolle spielt. Es ist und bleibt ein sehr schwieriges Thema hierzulande.

      • Anneliese Möllemann Anneliese Möllemann

        gibt es denn keine Möglichkeit der Sterbewolle nicht aktiv ist?

  6. Sterbehilfe? Wozu? Wenn ich merke, daß ich gebrechlich werde und mein Leben nicht mehr autonom gestalten kann, werde ich für mich die Entscheidung treffen. Wenn ich die Nase voll habe, positioniere ich mich an einer günstig gelegenen Bahnstrecke und lasse mir vom nächstbesten Intercity die Rübe abrasieren. Oder noch ’ne Möglichkeit, ich besorge mir im Wald einen Knollenblätterpilz (bin schon seit früher Jugend Pilzsammler und kenne mich damit aus) und hau mir den in die Pfanne. Ich werde auf keinen Fall der Ärtzschaft und der Pharmaindustrie als auszuweidendes Schlachtopfer dienen.

    • Katrin Bosse Katrin Bosse

      Ich kann Dir nicht zustimmen, Patricia. Ein Zustand, der das Leben nicht mehr lebenswert erscheinen lässt, der mit extremen Schmerzen, höchst eingeschränkter Lebensqualität und keiner Aussicht auf Besserung einhergeht, kann sich leider auch sehr plötzlich einstellen, sodass eine autonome Entscheidung über das weitere Handeln einem selbst verwehrt wird.

      Oder schleichend, aber ebenso unaufhaltsam – so ist es meiner Oma ergangen: Ein Sturz hat sie ans Krankenhausbett gefesselt und dann ließ sich der langsame Niedergang von Reha über die einzelnen Pflegestufen in die völlige Hilflosigkeit nicht mehr aufhalten. Bis zu dem Unfall lebte sie autonom, war völlig selbstständig, hatte alles im Griff und unter Kontrolle. Aber wer alles im Griff und unter Kontrolle hat, denkt nicht daran, im Wald Knollenblätterpilze zu sammeln, um sich das Leben zu nehmen.

      Der zweite Punkt, den ich anmerken möchte: Wer sich vor den Intercity wirft, um sich das Leben zu nehmen, vergisst, dass dieser IC von einem Zugführer gefahren wird, der sich für den Rest seines Lebens mit dem Trauma herumschlagen muss, einen Menschen totgefahren zu haben. Und in dem Zug sitzen auch noch andere Menschen, für die ein solches Erlebnis nur graduell weniger traumatisch sein dürfte.

      Dann schon lieber Sterbehilfe.

  7. Cari Cari

    Vielen Dank für diese Seite.
    Auch ich bedaure es sehr, dass es keine aktive Sterbehilfe mehr gibt. Ich habe eine Schwester (50) , die schwer an MS leidet, ab mittags kaum noch sprechen kann, sich nicht mehr allein fortbewegen kann, mittlerweile sehr vergesslich geworden ist. Seit Monaten spricht sie von Sterbehilfe, denn sie hat ja ihr altes Leben verloren, vegetiert nur noch im Pflegeheim vor sich hin und wartet auf die Mahlzeiten und aufs Schlafengehen. Sich selbst das Leben zu nehmen, ist sie nach ihrer Aussage zu feige und hat große Angst, dass dieses Vorhaben auch wegen der nachlassenden Kräfte nicht umsetzbar ist oder misslingt. Ich fühle mich allein gelassen. Bedingt durch die neue Gesetzeslage gibt es für meine Schwester derzeit keine Lösung. Die Schweiz würde eine lange Reise bedeuten, die für sie nicht mehr möglich ist.

  8. Minja Mookmer Minja Mookmer

    Ich kenne jemanden, der für 3 Monate nach Amsterdam gezogen ist, sich dort krankenversichern ließ und dann alles in Wege leitete um von seinem Schmerz befreit zu werden. Es hat geklappt und er ist in DenHaag eingeschlafen. Also es ist schon machbar eine möbilierte Wohnung zu mieten oder sich bei holländischen Freunden anzumelden. Die Krankenversicherungen in den Niederlanden gehen so ab 120 Euro los und es ist dass nötigste abgedeckt.

    • Hallo Minja, allzu einfach sollte man sich das jedoch nicht vorstellen. Im Prinzip braucht man neben einer niederländischen Krankenversicherung und einem Wohnsitz in den Niederlanden ja auch einen Hausarzt, zu dem ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wird (noch dazu in einer Fremdsprache …). Das ist nicht mal eben so getan – und auch der Umzug in ein anderes Land an sich ist ein großes Unterfangen – vor allem, wenn man krank ist und einem nicht viel Kraft zur Verfügung steht.

    • Marlies Marlies

      Die Einschläferung kostet glaube an sich noch mal Geld, zumindest war oder ist es in der Schweiz so.

      Eine niederländische Krankenkasse war oder ist (falls sich daran nichts geändert hat) wahrscheinlich auch nicht dazu verpflichtet die Kosten für die Bereitstellung des Sterbemittels und den euthanasie Eingriff zu bezahlen. Dann müssen die Kosten eigenständig dafür aufgebraucht werden(?).

      So allgemein gilt: Je weniger Privilegien ein Mensch hat, desto schwieriger wird es schmerzfrei und selbstbestimmt zu sterben.

  9. Stefan Stefan

    Liebe Alex ,
    ich finde es sehr berührend wie Sie sich diesem Thema annehmen .Vielleicht aus meiner Sicht zu sehr ,weil sonst würde es Sie nicht so belasten .Ich denke Sie haben ein gutes Herz .

    Ich bin selbst einer der betroffenen Menschen für die das Leben zu einer Qual geworden ist ( auf einzelheiten möchte ich hier garnicht eingehen ) und doch möchte ich sagen das ich auf den letzten 35 Jahren meiner Lebensreise immer wieder Menschen wie Ihnen begegnet bin .
    Das schöne dieser Begegnungen ist ,und das wissen viele dieser Engel nicht ,das Sie den Menschen einfach nur gut tun .Bei Menschen wie Ihnen fühlt man sich angenommen ,zu Hause ,vom Kampf befreit . Es hilft einen ganz einfach diesen Kampf ,nämlich ans Ziel zu kommen ,fort zu führen .
    Ich danke Gott unseren Schöpfer das es Menschen wie Sie gibt .Denn Sie sind auch eine Begleitung ,so das man sich nicht alleine fühlt .
    Ja ich gehe noch einen Schritt weiter indem ich Ihnen sage ,das ich glaube ,das auch Sie ein Engel sind .Denn durch Menschen wie Sie kommt mir die Nähe Gottes näher ,und das ist es wo ich gerne hin möchte .
    Und Sie helfen mir ein großes Stück weit dabei .

    Von Herzen möchte ich Ihnen und unseren Herrn dafür danken

    Viele liebe Grüße ,Stefan

  10. Marlies Marlies

    Hallo. Der Artikel ist schon etwas älter. Hat sich bis heute 2022 etwas an den niederländischen Gesetzen zur aktiven Sterbehilfe gelockert, sodass auch ausländische Menschen ohne festen Wohnsitz dort aktive Sterbehilfe oder assistierten Suizid in Anspruch nehmen dürfen?

    • Nein, Marlies, die Lage ist noch so, wie ich sie im Blogartikel beschreibe.

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